Die Messung der Herzfrequenzvariabilität, die HRV-Messung, misst die Varianz der zeitlichen Abstände zwischen den R-Zacken

Herzfrequenzvariabilität – HRV-Messung im Sport

Die HRV-Messung, die Ermittlung der Herzfrequenzvariabilität (HRV) beschreibt die Fähigkeit des Herzrhythmus, sich an verschiedene Umstände anzupassen.
Laufen im Alter – Lauftipps für Senioren Du liest Herzfrequenzvariabilität – HRV-Messung im Sport 9 Minuten Weiter Analyse der Herzratenvariabilität (HRV)

Was Sie über Herzfrequenzvariabilität (HRV) wissen sollten

HRV-Messung ist heute selbstverständlich

Kaum eine Sportuhr oder Smartwatch kommt heute ohne Messungen der Herzfrequenzvariabilität (HRV) aus. Die ermittelten Rohdaten, für den Anwender leider nur selten zu erkennen, werden von zahlreichen Geräten für Empfehlungen zur Tagesform, Erholungszustand, Bereitschaft, Schlafqualität und Stresslevel der Sportlerinnen und Sportler hergenommen.

Diese Selbstverständlichkeit, HRV-Daten zu ermitteln und auszuwerten, war in den 90er Jahren noch nicht denkbar, als Prof. Dr. Kuno Hottenrott begann allmählich eine Vorreiterrolle bei der Einführung und Anwendung der HRV-Messung im Ausdauersport einzunehmen. Hottenrott hat seither zahlreiche wissenschaftliche Studien zu diesem Thema durchgeführt, dabei auch untersucht, wie unterschiedliche Trainingseinheiten, die Ernährung oder auch psychologische Belastungen die Herzfrequenzvariabilität – auch Herzratenvariabilität genannt – und damit den Trainingserfolg beeinflussen.

Die Herausgabe seines Buches Die Geheimnisse des individualisierten Trainings, 2018 gemeinsam mit seiner Tochter Laura Hottenrott 2018 veröffentlicht, hat seinerzeit auch mich als dazu motiviert, mich mit dem spannenden Thema HRV-Messung und Herzfrequenzvariabilität intensiver zu beschäftigen. Das Werk ist ein Ratgeber über individuelle Trainingssteuerung mit Hilfe der HRV-Messung, hier primär dem Lagewechseltest von Polar, 

Heute ist es für mich tägliche Routine meine Herzfrequenzvariabilität zu messen und dabei unterschiedliche Sportuhren, Testverfahren und Apps zu nutzen. Dabei immer im Einsatz ist der Herzfrequenzsensor von Polar, den ich nicht nur mit meiner Polar Sportuhr koppeln kann, sondern via Bluetooth auch zu Testzwecken mit Uhren von Garmin, Coros, Apple und Co und meinem Smartphone, und damit zahlreichen HRV-Apps wie Elite HRV, Kubios oder HeartRate+.

Wie kommt es, dass die Messung der Herzfrequenzvariabilität heute als modern gilt und was haben Sportler, sowie Experten wie Trainer und Ärzte in früheren Jahrzehnten gemessen? So erinnere ich mich daran, wie ich schon in der Schulzeit vom Sportlehrer dazu aufgefordert wurde mit dem Finger am Hals meinen Puls zu messen.

Blutdruck, Ruhepuls und Herzfrequenzvariabilität

Seit vielen Jahrzehnten messen Menschen den Blutdruck, um damit den Gesundheitszustand des Herz-Kreislauf-Systems beurteilen zu können. Ein zu hoher Blutdruck kann auf gesundheitliche Einschränkungen hinweisen, bzw. das Risiko für zukünftige Herz-Kreislauf-Erkrankungen verdeutlichen. Die Messung des Blutdrucks ist Standard in ärztlichen Praxen, um einen schnellen Eindruck über den aktuellen Zustand des Herzkreislaufsystems eines Patienten zu erhalten. Siehe auch meinen Beitrag zu Joggen bei Bluthochdruck.

Sportlerinnen und Sportler messen ebenfalls seit vielen Jahren ihren Ruhepuls, um den Trainingszustand und die Erholungsfähigkeit des Körpers zu beurteilen. Ein niedriger Ruhepuls gilt dabei als Hinweis auf einen guten Trainingsstand und gute kardiovaskuläre Fitness. Der Belastungspuls in Ruhe, in diesem Fall beim Gehen oder Stehen, kann beim Intervalltraining auch dazu genutzt werden, die Pause zu beenden und das nächste Tempointervall einzuläuten.

In den letzten Jahrzehnten hat sich jedoch gezeigt, dass die Herzfrequenzvariabilität ein zusätzlicher und möglicherweise sogar noch genauerer Indikator für die Gesundheit des Herz-Kreislauf-Systems und tagesaktuelle Trainingsbereitschaft ist, bzw. ob Regeneration einem fordernden Training vorzuziehen ist.

Was bedeutet Herzratenvariabilität?

Die Herzfrequenzvariabilität oder eben Herzratenvariabität beschreibt die Fähigkeit des Herzrhythmus, sich an verschiedene Umstände anzupassen. Gemessen wir die Veränderlichkeit der Zeitabstände (die Variabilität) zwischen den Herzschlägen. Eine hohe HRV deutet auf eine gute Anpassungsfähigkeit des Körpers an Belastungen und eine gute Regenerationsfähigkeit hin, während eine niedrige HRV auf eine schwächere Tagesform deuten kann, eine eingeschränkte Anpassungsfähigkeit auf Trainingsreize, eventuell sogar auf ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen.

Um dies verständlicher zu machen: Eine Herzfrequenz von 60 bedeutet nicht automatisch auch 60 Schläge im gleichen Abstand von einer Sekunde (1000 Millisekunden). Differenzen von einem Schlag zum nächsten von über 100 Millisekunden sind ganz normal. Und je höher die Herzratenvariabilität in Ruhe ist, umso zufriedener sind Ärzte, Trainer und Sportler. Denn das Gehirn reagiert auf sämtliche Lebensumstände wie Schlaf, Ernährung, Sport, Freude und Ärger, um über das autonome Nervensystems (ANS) den Körper und seine Funktionen zu stimulieren oder zu entspannen. Hier verantwortlich sind der Sympathikus und Parasympathikus, die beiden Zweige des autonomen Nervensystems. Ist der Mensch müde, gestresst, unausgeschlafen oder vom Training noch nicht erholt, so ist die Herzfrequenzvariabilität niedrig. Ist die HRV hoch, kann dies als Motivation für mehr Aktivität verstanden werden.  

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Wann machen HRV-Messungen besonders viel Sinn?

Wie schon beschrieben, ist die Herzfrequenzvariabilität ein Indikator für das Gleichgewicht des autonomen Nervensystems. Sie wird daher zunehmend als ein wichtiges Instrument für die Trainingssteuerung und damit Erhaltung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit angesehen. Für Läuferinnen und Läufer macht die Kenntnis der Herzfrequenzvariabilität umso mehr Sinn,

  • je älter sie sind
  • je anspruchsvoller ihr Leben ist
  • je anstrengender/hektischer/belastender ihr Leben ist
  • je ambitionierter sie trainieren
  • je schlechter/ungeschulter ihre Selbstwahrnehmung ist
  • je unsicherer sie hinsichtlich ihrer Trainingssteuerung sind

Besonders für ältere Menschen kann die Messung der Herzfrequenzvariabilität von großer Bedeutung sein, da die Fähigkeit des autonomen Nervensystems, sich an Veränderungen anzupassen, mit dem Alter abnimmt. Wenn das Leben stressiger und anspruchsvoller wird, kann eine Überwachung der Herzfrequenzvariabilität helfen, den Effekt auf dein Nervensystem zu erkennen und gegebenenfalls Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Wer besonders ambitioniert trainiert, mit dem Laufen sportliche Ziele erreichen möchte, dem kann die Analyse der Herzratenvariabilität helfen, die Regeneration und das Training zu optimieren. Insbesondere auch für Menschen mit ungenügender oder zumindest ungeschulter Selbstwahrnehmung kann die HRV-Messung wertvolle Informationen liefern, um ihr Training zu optimieren und Verletzungen zu vermeiden. Und wer unsicher hinsichtlich der eigenen Trainingssteuerung ist, dem kann die Messung der Herzfrequenzvariabilität dabei helfen, die Bereitschaft für das geplante Training zu erkennen, und so Über- oder Unterforderung zu vermeiden.

Auf diese Weise kann die Beachtung der Herzfrequenzvariabilität dazu beitragen, die Trainingserfolge zu verbessern, indem Sportler ihr Training klüger dosieren und die Regeneration effektiver gestalten. Doch was heißt das genau?

„Bereitschaft“ ergänzt Trainingsplanung und Trainingssteuerung

Ambitionierte Läuferinnen und Läufer trainieren idealerweise nach individuellen Trainingsplänen, ausgerichtet auf die jeweiligen sportlichen Ziele, körperlichen und zeitlichen Möglichkeiten. Individuelle Trainingspläne, oder auch standardisierte Trainingspläne für die Ziele Marathon, Halbmarathon oder 10 Kilometer, werden noch besser, wenn neben der Trainingsplanung auch die Trainingssteuerung auf Basis einer Leistungsdiagnostik individuell ist, also die einzelnen Einheiten aus dem Trainingsplan mit den individuellen Puls- und/oder Pace-Bereichen der Athletinnen und Athleten versehen sind. Damit machen Sportler und Trainer sehr viel richtig (entdecken Sie in diesem Zusammenhang auch den Pacerechner von Laufcampus). Was ein Trainer bei der Planung aber nicht vorhersehen kann, ist die tatsächliche Tagesform und Bereitschaft für das Training, in vielen HRV-Apps "Readiness" (Englisch für Bereitschaft) genannt. Und hier kommt die Herzfrequenzvariabilität ins Spiel.

Trainer haben üblicherweise wenig Einblick, wie stressig das Leben der Athleten abseits des Trainings ist. Und Athleten vertrauen in der Regel den Trainingsplänen ihrer Coaches, das sollten sie auch können und stellen die Trainingspläne daher auch selten in Frage. Doch wenn das Leben in anderen Lagen, durch private und berufliche Verpflichtungen, besonders stressig ist, so kann es sinnvoll sein, das Lauftraining anzupassen. Dieses Stresslevel zu erkennen hilft die Analyse der Herzfrequenzvariabilität.

Herzfrequenzvariabilität oder Herzratenvariabilität meint die Varianz in den zeitlichen Abständen zwischen den Herzschlägen

Die HRV hilft, Stress sichtbar zu machen

Wir alle kennen diese Menschen mit scheinbar unendlicher Energie, echte Vollgastypen, die kinderreiche Familien, zeitaufwändige Hobbys, berufliche Karriere und ambitionierten Sport scheinbar mühelos unter einen Hut bekommen, bis... Ja, bis der Körper anfängt, leise Signale auszusenden, die zunehmend lauter werden, in Form von wiederkehrenden Erkältungsinfekten, schlaflosen Nächten, Verletzungen des Bewegungsapparates, Pfeifferschen Drüsenfieber, Burnout, Depression. Die Ursache Stress kann viele Masken haben.

Die gemessene Herzfrequenzvariabilität unterscheidet nicht zwischen privatem Stress, sportlichem Stress und beruflichem Stress. Die Herzfrequenzvariabilität zeigt schlicht das aktuell Belastungsniveau an und damit die Bereitschaft das geplante Training durchzuziehen. Und hier ist Vorsicht angesagt, denn chronischer Stress kann zu einer dauerhaft erhöhten Aktivität des Sympathikus und zu einer Verminderung der parasympathischen Aktivität führen, was sich in einer niedrigen Herzratenvariabilität äußern kann.

Die Messung der Herzfrequenzvariabilität, über Tage, Wochen und Monate, kann helfen Stress zu erkennen, zu beobachten und frühzeitig Gegenmaßnahmen einzuleiten. Eine sehr kurzfristige Maßnahme kann für Läuferinnen und Läufer auch mal bedeuten, das Lauftraining weniger intensiv zu gestalten als ursprünglich geplant.

Die Messung der Herzfrequenzvariabilität kann so zur Unterstützung der Trainingssteuerung und Trainingsplanung führen und zu kurzfristigen, der Tagesform entsprechenden Trainingsanpassung eingesetzt werden oder, bei andauernd erhöhtem Stresslevel, auch zu einer Neuplanung von mehreren Wochen, Monaten oder sogar Jahreszielen.

Die Entfernung von Stressoren im privaten und beruflichen Umfeld sind natürlich mindestens ebenso wichtig, vielleicht sogar noch entscheidender für Gesundheit, Fitness und Erholungszustand, aber oft nicht so einfach zu beseitigen, wie das Ersetzen eines Intervalltrainings durch einen kurzen Supersauerstofflauf (SSL). 

Zwischenfazit zum Einsatz der HRV-Messung

Zwischenfazit daher, weil weitere Beiträge von mir zur korrekten Durchführung von Messungen der Herzratenvariabilität, der bestmöglichen Messtechnik und Morgenroutine und wichtiger Messgrößen wie dem RMSSD und SDNN folgen werden. Bis dahin empfehle ich mein Online Basisseminar zum Thema HRV-Coaching.

Zusammenfassend lässt sich an dieser Stelle aber schon mal feststellen, dass die Messung der Herzfrequenzvariabilität ein wertvolles Instrument für Ausdauersportlerinnen und -sportler darstellt, um die Trainingsplanung und Trainingssteuerung zu optimieren. Die Herzfrequenzvariabilität Messung ermöglicht eine individuelle Anpassung des Trainings, da sie aufzeigt, wie belastbar der Körper gerade ist und ob er bereit für ein geplantes Training ist. Sie hilft, Überbelastungen und damit verbundene Verletzungen oder Erkrankungen zu vermeiden, indem sie frühzeitig Anzeichen von Schwächen im Körper erkennt. Die Herzfrequenzvariabilität kann auch dazu beitragen, die Motivation zu steigern, indem sie das Verständnis für das intuitive Körpergefühl fördert und dazu beiträgt, dass Sportlerinnen und Sportler ihre sportlichen Ziele besser erreichen können.

Machen Sie es wie ich: Hören Sie nicht auf, informierter und damit besser vorbereitet ins Training und in den Wettkampf zu gehen. Es ist mir eine Freude, Sie dabei zu begleiten.

Andreas Butz


Erfahren Sie mehr über das Sportlerherz

Sehen Sie auch meine Beiträge zum Sportlerherz, zum Beispiel zum Erholungspuls, damit ist der Belastungspuls in Ruhe gemeint. Auch der Maximalpuls ist wichtig. Und – falls noch nicht geschehen – gönnen Sie sich bei Zeiten eine Leistungsdiagnostik für eine noch bessere Trainingssteuerung.

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