Der Mann mit dem Hammer – Ein Erlebnisbericht

Der Mann mit dem Hammer

Diese Geschichte muss gelesen werde: Der Moment, wenn der Körper streikt – und der Wille siegt. Plus Podcast-Folge & Tipps für Ihr nächstes Rennen.

Gekommen um zuzuschlagen

Diese Geschichte geht unter die Haut. Fast jeder, der schon einmal einen Marathon gelaufen ist, kennt diesen Moment: Der Körper streikt, der Kopf will nicht mehr, doch du kämpfst weiter. In dieser Erzählung begegnen wir ihm – dem gefürchteten Mann mit dem Hammer. Und am Ende findest du viele wertvolle Links, um dieses Phänomen besser zu verstehen und es in Zukunft zu vermeiden.

Du stehst an der Startlinie

Du stehst an der Startlinie. Um dich herum Hunderte, vielleicht Tausende andere Läuferinnen und Läufer. Die Luft ist elektrisch geladen. Spannung, Nervosität – und Vorfreude liegen in der Luft. Die Musik ist laut. It’s the final countdown. Du spürst das Kribbeln. Genau das hast du gewollt. Etwas Außergewöhnliches. Eine Herausforderung. Etwas, was nicht jeder schafft.

Die ersten Meter: Euphorie trifft Realität

Du hast in den letzten Wochen – vielleicht Monaten – auf diesen Moment hingearbeitet. Hast trainiert, bist deinem Plan gefolgt, so gut es eben ging. Du fühlst dich bereit. Hochkonzentriert. Der Puls steigt. Fünf... vier... drei... zwei... eins... Der Startschuss fällt – und du läufst los. Du bist glücklich. Und auch wieder nicht. Vor dir ein Pulk von Läuferinnen und Läufern, die langsamer sind als du. „Warum nur? Haben die sich falsch eingruppiert?“, denkst du etwas genervt. Du musst überholen, im Zickzack, auf dem Gehweg, manchmal ganz außen.

Rhythmus, Flow und erste Euphorie

Es dauert ein, zwei Kilometer, bis du wirklich frei laufen kannst. Dann findest du deinen Rhythmus. Dein Körpergefühl passt. Der Blick auf die Uhr: etwas schneller als geplant – aber was soll's? Du fühlst dich stark. Der Puls ist zwar etwas zu hoch. Schwamm drüber. War wohl der Ärger über die anderen. Aber der ist jetzt passé.

Es läuft. Du fliegst dahin. Das Feld lichtet sich allmählich. Und die Zuschauer jubeln. Genau deshalb hast du die Strapazen des Trainings in den letzten Monaten auf dich genommen. Du klatschst sie ab, die entgegen gestreckten Hände. Du fühlst dich großartig. Vielleicht baust du dir bei dieser Stimmung sogar einen kleinen Puffer auf? Heute könnte dein Tag werden. Vielleicht... vielleicht sogar schneller als geträumt?

Alles im Fluss – noch

Du genießt die Atmosphäre, die Zuschauer, den Rhythmus deiner Schritte. Kilometer zehn: „Uih, das ist schnell. Lieber etwas rausnehmen.“ Kilometer fünfzehn, zwanzig – alles läuft rund. Du fühlst dich getragen vom Flow. Nur die Verpflegungsstationen sind echt eine Herausforderung. „Warum nur ist da solch ein Gedränge? Hätten die nicht mehr Tische aufstellen können?“ Du greifst im Vorbeilaufen nach einem Becher, kippst ihn schnell weg. Weiterlaufen. Dazu ein Gel. Kohlenhydrate sind wichtig – sagt man.

Beim Halbmarathon liegst du noch leicht unter deiner Zielzeit. „Ein bisschen Puffer ist gut“, denkst du. Und du fühlst dich noch erstaunlich frisch. Fast zu gut, um wahr zu sein. Weiter geht’s. Bergfest.

Erste Signale: Der Marathon beginnt jetzt

Bei Kilometer 25 spürst du zum ersten Mal ein leichtes Ziehen in den Oberschenkeln. Kein Grund zur Sorge. Das nennt man wohl Marathon. Genau deshalb machst du das. Wenn Marathon jeder könnte, würden es auch mehr tun. Tun sie aber nicht. Du schon.

Du nimmst ein Gel, trinkst am Verpflegungsstand. Elektrolyte – jetzt bestimmt eine gute Idee. Sagt man. Du bleibst fokussiert. Sind ja nur noch 17.

Der Mann mit dem Hammer

Dann kommt Kilometer 30. Doch bei 28 hat es sich schon angebahnt.

Plötzlich wird jeder Schritt schwerer. Dein Laufschritt verliert an Leichtigkeit – denkst du. Quatsch. Er wird bleiern. Der Kopf wird leer, die Beine schwer.

Du versuchst gegenzusteuern – mit Gels, Getränken, Iso, Cola. Was du auch kriegen kannst. Jetzt intuitiv entscheiden, sagen sie. Die Experten.

Positive Gedanken wie: „Nur noch zwölf Kilometer“, helfen, sagen Mentalcoaches. „Nur noch meine übliche Hausrunde“, sagst du dir. Aber du spürst: Etwas ist alles anders.

Du bist nicht mehr der, der du noch vor zehn Minuten warst. Deine Schritte werden kürzer. Dein Blick geht auf den Boden. Irgendwann fängst du an zu gehen.

Du bist ihm begegnet, dem Mann mit dem Hammer. Und er ist gekommen, um zu bleiben.

Der mentale Kampf beginnt

Kilometer 33. „Deine Mutter hat dich nicht großgezogen, damit du hier aussteigst“, liest du auf einem Plakat. Du schaust rüber. Die Frau mit dem Plakat hat in der einen Hand ein Croissant – und ein Lächeln im Gesicht.

Du denkst: Du hast gut lachen. Aber irgendwie hat sie auch recht. Jetzt aussteigen wäre Mist. Klar, 33 Kilometer sind auch ein Erfolg. Neuer Rekord. So weit bist du schon lange nicht mehr gelaufen.

Wer – also wirklich wer in deiner Firma würde das schaffen? Von hundert? Vielleicht fünf? Aber einen Marathon?

Und während du so deinen Gedanken nachhängst, fängst du irgendwann wieder an zu traben.

Nur noch einstellig – die Restkilometer. Und das Durchziehen, sagt der Butz immer, wird irgendwann Teil deiner Vita.

„Ich zieh das durch!“, schreist du plötzlich. Ein Kind erschrickt und läuft weinend zu seiner Mama.

Die letzten Kilometer – getragen vom Willen

Ab jetzt geht’s nur noch ums Durchhalten. Deine Gedanken kreisen nur noch ums Ankommen. Jeder Kilometer zieht sich. Du kämpfst mit dir selbst. Und doch – du gibst nicht auf.

Kilometer 40. Die 4 auf dem Kilometerschild ist magisch. Jetzt steigt dein Wille ins Unermessliche. Du weißt: Wer hier angekommen ist, der kommt auch ins Ziel.

Die letzten Meter trägst du dich selbst. Der Blick wandert wieder nach oben. Irgendwo muss es kommen – das Schild mit der 41, und dann... der Zielbogen.

„Du schaffst das!“, wird dir zugerufen. Seit Kilometern schon. Aber jetzt glaubst du es auch.

Deine Augen werden feucht. Vor Rührung. Vor Stolz. „Hätte mir das einer erzählt… Ich hätte mich vielleicht nicht getraut. Habe ich aber.“

Der Moment der Wahrheit

Dann ist es geschafft. Du überquerst die Ziellinie. Die Beine versagen fast den Dienst. Du bist erschöpft, leer, stolz – ein kleines, großes Häufchen Elend im Zielbereich.

Aber: Du hast es geschafft. Durchgezogen!

Du willst dich hinsetzen, doch du darfst nicht. Hinter dir kommen noch viele. Und auch die wollen hier durch. Sagen die freundlichen Helfer bestimmt.

Ein Sani schaut dich intensiv an: „Brauchst du was?“ Du winkst ab und torkelst weiter.

Da endlich – ein paar Meter weiter. Helfer blockieren den Weg. Um dir Großes zu tun. Sie hängen dir die Medaille um.

Du heulst. Rotz und Wasser.


🎧 Podcast-Tipp: Hier geht’s zur Folge #89 im Marathon-Podcast →

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