Laufen mit dem Zyklus – Frauen ticken anders
Seit einigen Jahren rückt das zyklusbasierte Training vermehrt in den Fokus von Sportlerinnen und Trainern. Die Erkenntnis, dass Frauen auch im Sport anders "ticken", gewinnt an Bedeutung. Dr. Sandy Berger, Gynäkologin, und der Laufexperte Andreas Butz nähern sich diesem Thema auf praktische Weise. Berger beleuchtet nachfolgend, welche Frauen vom zyklusbasierten Lauftraining profitieren können, während Butz anhand eines Beispiels zeigt, wie Lauftraining konkret auf den Zyklus angepasst werden kann.
Zyklusbasiertes Lauftraining kann eine Lösung sein
Zyklusbasiertes Training ist in aller Munde, doch was hat es damit auf sich? Warum sind Frauen wahre Hormonwunder? In diesem Abschnitt erfahren wir von Dr. Sandy Berger, wie sich Hormone auf den Sport auswirken und warum es Sinn macht, den Zyklus beim Laufen zu berücksichtigen – nicht nur für Profis, sondern auch im Freizeitsport.
Die Hormone rund um den Eisprung
Im Fokus der Überlegungen stehen zwei Haupthormone: Östrogen und Progesteron (auch bekannt als Gelbkörperhormon). Östrogen wird in den Follikeln (Eibläschen) im Eierstock gebildet. Je größer das Ei, desto mehr Östrogen entsteht. Sobald das Ei springt, wird der Follikel zum pop-up-Organ, und in ihm wird vermehrt Progesteron produziert.
Das Östrogen – das Hormon des Antriebs
Östrogen, das Hormon, das die Frauen noch fraulicher macht und unbewusst auf Partnersuche schickt. Es spielt – nüchtern evolutionär betrachtet – eine Schlüsselrolle bei der biologischen Veranlagung zur Partnersuche, der Körper wird auf die Suche nach einem Partner vorbereitet. Ein Anstieg von Dopamin und Noradrenalin sorgt nicht nur für gute Laune, sondern verleiht auch eine freundliche Ausstrahlung. Diese positive Stimmung begleitet Frauen während bestimmter Phasen ihres Zyklus. Östrogen steigert nicht nur die gute Laune, sondern auch den Antrieb. Frauen fühlen sich aktivierter und motivierter, was sich positiv auf ihre sportliche Leistungsfähigkeit auswirken kann.
Während des Zyklus kann es zu einer erhöhten Natriumretention kommen, die zu einer leichten Wassereinlagerung führt und die weiblichen Kurven betont. Eine tiefere, biologische Motivation manifestiert sich in der Vorstellung, dass Frauen ihre körperliche Stärke betonen sollten – die Botschaft lautet: "Wir können dein Kind austragen." Auf dieser Ebene motiviert Östrogen Frauen dazu, ihre Kraft zu zeigen. Das Hormon wirkt zudem anabol, fördert also den Aufbau von körpereigenem Gewebe, was nicht nur zur Muskelentwicklung beiträgt, sondern auch zu einer generellen Leistungssteigerung führen kann.
Insgesamt trägt die Wirkung von Östrogen während bestimmter Phasen des Zyklus zu einer signifikanten Steigerung der sportlichen Leistungsfähigkeit bei. Diese Erkenntnis ermutigt Frauen, diese Zeiten gezielt für intensives Training zu nutzen.
Progesteron – das Hormon der Ruhe
Progesteron, das Hormon, das auf Ruhe setzt, wenn eine Befruchtung stattgefunden hat. Es ist das "Chilly vanilly Hormon" und ein Wohlfühlhormon, das Entspannung fördert. Während dieser Phase schlafen Frauen besser, haben eine leicht erhöhte Körpertemperatur und einen höheren Herzschlag. Progesteron wirkt katabol, was bedeutet, dass es den Abbau von körpereigenem Gewebe fördert. Ein Anstieg von Cortisol kann zu PMS führen.
Die Schwankungen des Hormonspiegels während des Menstruationszyklus sind vielfältig und beeinflussen nicht nur die Stimmung, sondern auch die körperliche Verfassung von Frauen. Von der Menstruation über die Follikel- und Ovulationsphase bis zur Lutealphase – jede Phase hat ihre eigenen hormonellen Charakteristika, die das Lauftraining beeinflussen können, wie wir in der Tabelle 1 auf den Punkt bringen.
Tabelle 1: Was passiert im Körper?
Zyklus | Phase | Hormonelle Folgen |
---|---|---|
1. – 4. Tag | Menstruation | Progesteron/Östrogen sind niedrig |
1. – 12. Tag | Follikelphase | Östrogen steigt an |
13. – 16. Tag | Ovulation | Östrogen am höchsten |
17. – 28. Tag | Lutealphase | Progesteron steigt |
Tabelle 2: Was geht im Training?
In der folgenden Tabelle wird deutlich, welche Trainingseinheiten in den verschiedenen Phasen des Zyklus besonders effektiv sein können. Von Lockerungsübungen in der Menstruationsphase bis zu intensivem High-Intensity Training (HIT) während der Ovulation – die Anpassungen sind vielfältig.
Tag | Name | Was kann Frau trainieren? |
---|---|---|
1. – 4. Tag | Menstruation | Schmerzen? Locker > SSL/ LDL; Stretching, Yoga (Laxidität am höchsten, aber auch Verletzungsrisiko) |
1. – 12. Tag | Follikelphase | Signifikante Leistungssteigerung möglich, neue Belastungsreize, isometrische Maximalkraft steigt, Explosivkrafttraining, Muskelaufbau leicht, gut für Tempotraining, Fahrtspiel, Intervalltraining |
13. – 16. Tag | Ovulation | Absolutes Leistungshoch > ideal für HIT oder Wettkampf |
17. – 28. Tag | Lutealphase | Training reduzieren, Energielevel sinkt, Konsolidierungsphase, Krafttraining 1x pro Woche möglich, schnellere Erholung, Regenerations- und Kompensationstraining |
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Trainingspläne nach der Laufcampus-Methode
Auf den Vorbemerkungen aufbauend, zeigt Andreas Butz nachfolgend ein vierwöchiges Lauftraining für eine ambitionierte Athletin. Die Trainingspläne zeigen von links nach rechts zunächst die Zusammenfassung der geplanten Woche pro Minute und dann die Inhalte an den Trainingstagen Montag bis Sonntag.
Die "Variante N" zeigt einen individuell geplanten Trainingsplan, bei dem keine Rücksicht auf den Zyklus genommen wurde, oder die Athletin keine Rücksicht nehmen muss, weil diese mit Pille verhütet. Die "Variante Z" hingegen stellt den gleichen Zeitraum dar, berücksichtigt aber, dass die Athletin eine Menstruation hat. Diese dauert üblicherweise 28 Tage, hat am 14. Tag ihren Eisprung, und beginnt der Einfachheit halber am ersten Montag des in der "Variante Z" gezeigten Trainingsplans.
Trainingsplan "Variante N"
Mögliche Trainingsplanung nach der Laufcampus-Methode
Für die Athletin wurde eine Trainingswoche mit fünf Laufeinheiten geplant, abwechslungsreich nach der Laufcampus-Methode. Dazu gehören viele verschiedene Reize, darunter zwei Intervalltrainings in den Trainingswochen 1, 2 und 4. Das erste Tempotraining, jeweils dienstags, wurde als HIT im 1RT (1-Kilometerrenntempo) geplant und die zweite Einheit als Intervalltraining im 10RT (10-Kilometerrenntempo). Die jeweiligen Intervalle dienstags und freitags steigern sich von Woche zu Woche und auch der lange Lauf am Wochenende, pulsorientiert im MDL-Bereich gelaufen, wird immer länger. Die Einheiten am Mittwoch (LDL) und Samstag (SSL) sind regenerativ niedrigpulsig geplant und wenig anspruchsvoll. In jeder dritten Woche soll eine Regenerationswoche folgen, anschließend der nächste zweiwöchige Aufbau, so wie hier mit der Woche 4 begonnen. Dieser Trainingsplan vereinigt die Verbesserung der Grundschnelligkeit sowie den Ausbau der Kondition.
Trainingsplan "Variante Z"
Immer noch hochintensiv, aber achtsam geplant
In nachfolgendem Fall ist der gleiche Zeitraum dargestellt, wobei der Trainer seine Athletin auf ihren Zyklus angesprochen hat und somit das Lauftraining entsprechend anpassen konnte. Nur die Woche zwei ist (im Vergleich zur "Variante N") gleichgeblieben. Die erste Woche startet, mit Rücksicht auf mögliche Schmerzen zum Beginn des Zyklus, deutlich moderater. Ein regenerativer SSL ersetzt den ersten HIT-Reiz aus der "Variante N". Die dritte Woche nimmt darauf Rücksicht, dass nach dem Eisprung am Sonntag der zweiten Woche, die Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit ab dem 17. Tag etwas sinken kann. Mit einem ZDL (zügiger Dauerlauf) wird nichts riskiert, dieser ersetzt das letzte Intervalltraining. In dieser Variante kommt die Regenerationswoche in der vierten Woche genau richtig.
Hier findest du mehr Trainingspläne nach der Laufcampus-Methode, für 10 Kilometer, Halbmarathon und Marathon und auf für Anfänger. Idealerweise startest du die Suche nach einem Trainingsplan mit der Potenzialanalyse von Laufcampus.
Mögliche Maßnahmen bei größeren Beschwerden
Frauen, die unter Menstruations- oder Ovulationsschmerzen leiden, können laut Dr. Sandy Berger auf verschiedene Maßnahmen zurückgreifen. Bei solchen Beschwerden empfiehlt sie das Kraut Agnus castus sowie Ibuprofen (IBU) als mögliche Schmerzlinderung. Diese Mittel können dazu beitragen, die Schmerzen zu reduzieren und den Menstruationszyklus angenehmer zu gestalten.
Für Frauen, die unter Wassereinlagerungen während der prämenstruellen Phase leiden, könnten Kompressionsstrümpfe eine wirksame Option sein. Diese unterstützen die Regulation des Flüssigkeitshaushalts und können somit dazu beitragen, das lästige Gefühl von Schwellungen zu minimieren.
Bei prämenstruellem Syndrom (PMS) empfiehlt Dr. Berger Johanneskraut und erneut Agnus castus als potenzielle Maßnahmen. Diese natürlichen Mittel können dazu beitragen, die emotionalen und körperlichen Beschwerden, die mit PMS einhergehen, zu lindern.
Zusätzlich gibt Dr. Berger Tipps für die allgemeine Gesundheitsvorsorge im Zusammenhang mit dem Menstruationszyklus. Sie empfiehlt regelmäßige Blutbildkontrollen (BB) sowie die Überprüfung von Ferritin und Transferrin. Diese Untersuchungen können Aufschluss über den Eisenstatus im Körper geben und helfen, eventuellen Mangelerscheinungen vorzubeugen.
Des Weiteren empfehlen Trainer Andreas Butz und Ärztin Sandy Berger die Bedeutung der Herzfrequenzvariabilität (HFV) als Marker zur Beurteilung der individuellen Belastung. Eine regelmäßige Überwachung dieses Parameters kann dazu beitragen, das Training besser an den eigenen Körper anzupassen und optimale Ergebnisse zu erzielen.
Allgemeine Tipps für Läuferinnen
Pille? Alles fremdgesteuert! > nichts machen
Dr. Berger rät Frauen, die hormonelle Verhütungsmittel, insbesondere die Pille, einnehmen, dazu, bewusst auf weitere Einflüsse zu verzichten. Die Fremdsteuerung durch hormonelle Präparate kann dazu führen, dass der natürliche Zyklus überlagert wird. Bei Bedarf könnte der Wechsel zu einem Langzyklus in Betracht gezogen werden, um den eigenen Körperzyklus wieder stärker wahrzunehmen.
Menopause? Keine Menstruation mehr? > nichts machen
Für Frauen in der Menopause, die keine Menstruation mehr haben, empfiehlt Dr. Berger, die Dinge einfach laufen zu lassen. In dieser Lebensphase, in der der Zyklus naturgemäß endet, bedarf es keiner speziellen Maßnahmen in Bezug auf den Menstruationszyklus.
Jung + keine Menstruation mehr > Risiko RED-S
Junge Frauen, die noch nicht die Menstruation haben oder aus anderen Gründen keine Menstruation erleben, warnt Dr. Berger vor möglichem Übertraining und dem sogenannten Relative Energy Deficiency in Sport (RED-S). Hierbei handelt es sich um ein Ungleichgewicht zwischen Energiezufuhr und -verbrauch, das negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann. Ein bewusster Umgang mit Training und Ernährung ist in dieser Phase besonders wichtig.
Bei einigen Smart Watches lassen sich Daten zum Zyklus sammeln
Als Zusatztipp weist Dr. Berger darauf hin, dass moderne Smart Watches die Möglichkeit bieten, Daten zum Menstruationszyklus zu sammeln. Diese Technologie kann Frauen dabei unterstützen, den Zyklus besser zu verfolgen und ihre körperliche Aktivität entsprechend anzupassen.
Menstruation beim Wettkampf?
Sandy Berger ergänzt: Was tun, wenn bei einem lange geplanten Wettkampf die Menstruation einsetzt? Die erste Reaktion der meisten Frauen: „Mist, ist ja jetzt total ungünstig! Alles und vor allem meine Hormone sprechen dagegen, dass ich nun meine Bestleistung abrufen kann!“
Die Gynäkologin würde mit den Achseln zucken und sagen: "Ja, da kann man nichts machen. Das stimmt aber nur zum Teil, denn die Psychotherapeutin in mir sagt: In Vorbereitung auf diesen Lauf ist alles optimal „gelaufen“, es gab ein ausgewogenes Training, genügend Regenerationszeiten, die Ernährung war optimal. Wäre das nicht so, wäre die Menstruation ausgeblieben! Folglich ist die Menstruation ein starkes Zeichen, dass die Läuferin gesund ist. Und nur wenn frau gesund ist, kann sie Bestleistungen abliefern. Den Blick auf das Positive lenken, sonst führt das Mentale dazu, dass die Bestleistung im Strudel des Kopfes scheitert. Die Läuferin ist vital, gesund, auf das Laufereignis optimal trainiert, es ist ein Privileg, dass sie im Startblock stehen kann!"
Jede Frau tickt anders
Die abschließende Empfehlung von Dr. Sandy Berger lautet: Jede Frau ist einzigartig. Der Menstruationszyklus und seine Auswirkungen auf den Körper können von Frau zu Frau unterschiedlich sein. Es ist entscheidend, sich selbst gut zu kennen, auf die Signale des eigenen Körpers zu hören und individuell passende Entscheidungen für das Training und die Gesundheit zu treffen.
Weiterhin viel Freude beim laufen wünschen
Dr. Sandy Berger und ihr und Ihr Lauftrainer Andreas Butz
Literaturhinweise:
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- Carmichael, M. A. et al (2021). The Impact of Menstrual Cycle Phase on Athletes‘ Performance: A Narrative Review. International journal of environmental research and public health,18(4), 1667.
- Janse de Jonge XA. Effects of the menstrual cycle on exercise performance. Sports Med. 2003; 33: 833-51. doi:10.2165/00007256-200333110-00004
- McNulty KL, Elliott-Sale KJ, Dolan E, Swinton PA, Ansdell P, Goodall S, Thomas K, Hicks KM. The Effects of Menstrual Cycle Phase on Exercise Performance in Eumenorrheic Women: A Systematic Review and Meta-Analysis. Sports Med. 2020; 50: 1813-1827. doi:10.1007/s40279-020-01319-3
- Sung E, Han A, Hinrichs T, Vorgerd M, Manchado C, Platen P. Effects of follicular versus luteal phase-based strength training in young women. Springerplus. 2014; 3: 668. doi:10.1186/2193-1801-3-668