Fachsimpelei auf der neunten Etappe von Lutherstadt Eisleben nach Kelbra (Kyffhäuser)
Donnerstag, 11. August 2022
- Spendenmarathon heute: 42,3 Kilometer, 310 Höhenmeter (Aufzeichnung auf Strava ansehen), Ø HF: 120 bpm, Ø Pace: 5:57 min/km (*netto)
- Deutschlandlauf bisher: 395,5 Kilometer, 2420 Höhenmeter
Stimmungsumschwung am Morgen
Gestern Abend ahne ich es. Heute Morgen glaube ich es zu wissen: Das wird heute ein harter Tag. Ein Tag Marathonarbeiten. Meine Ernährung gestern ist suboptimal gewesen. Wir haben nicht das gefunden, was wir brauchen. Hinzu kommt, dass das Zimmer in unserem Hotel zwar schön kühl zum Innenhof gelegen ist, in diesem aber die Gäste noch bis tief in die Nacht lautstark den Tag verabschiedeten. Ihr könnt euch vorstellen, wie meine Erholungssituation am frühen Morgen ausschaut.
Ich ziehe mein übliches Morgenritual durch, mit Lagewechseltest und Yoga, richte alles her und esse mein selbstmitgebrachtes Frühstück. Das Frühstück im Hotel beginnt an diesem Morgen für mich zu spät. Irgendwann höre ich auf zu hadern und finde mich mit der Situation ab. Ich gehe mit Gisela aus dem Hotel heraus auf den Marktplatz.
Wow, vier Personen warten auf uns! Der Bürgermeister der Stadt Lutherstadt Eisleben, Carsten Staub, der Pressesprecher der Stadt, Maik Knothe, unser Haus- und Hoffotograf Norbert Wilhelmi und Franziska Dietz, die alle nur unter Franzi kennen. Es wird direkt wuselig. Wir werden hin- und hergeschoben vor das Lutherdenkmal am Marktplatz. Im Hintergrund soll zudem das Rathaus zu sehen sein. Carsten Staub fragt fasziniert nach, möchte vieles über den ALS Deutschlandlauf wissen und ist sehr erfreut, dass wir ausgerechnet seine Stadt als Zwischenstopp nutzen. Das Grinsen in meinem Gesicht wird von Minute zu Minute mehr. Jeglicher Missmut ist wie weggeblasen. Gegen 7:45 Uhr laufen wir los. An meiner Seite dieses Mal Franzi, die mich schon am ersten Tag ein Stück begleitet hat. Geplant sind etwa 14 Kilometer. Und sofort fangen wir an zu fachsimpeln über Ernährung, Nahrungsergänzungsmittel, Training und Ziele. Dabei merken wir gar nicht, wie ein Kilometer nach dem anderen an uns vorbeizieht. Jetzt weiß ich es: heute wird ein guter Tag.
Wer keine Mängel hat, braucht auch keine Nahrungsergänzungsmittel
Seit Januar 2008 nehme ich keine Nahrungsergänzungsmittel mehr. Ich konsumiere auch keine sogenannten Sportlerprodukte. Im Laufe meiner Jahre, in denen ich mich mit den Themen Leistungssport, Gesundwerdung und Erhalt der Gesundheit beschäftige, wird mir klar, dass es hinsichtlich der Ernährung nur einen konsequenten Weg gibt. Die alltägliche Ernährung so zu gestalten, dass man keine Mängel hat. Denn wer keine Mängel hat, braucht auch keine Nahrungsergänzungsmittel.
Diese Aussage führe ich am Beispiel von basischen Produkten näher aus. Basische Produkte sollen die Mineralien zuführen, die basische Lebensmittel enthalten. Dazu zählen Obst, Salat und Gemüse. Dies ist in einer Zeit, wo viele Menschen mit Vorliebe Käse, Wurst und Fleisch essen, alles saure Nahrung, und nicht nur deshalb problematisch für die Gesundheit. Gisela und ich ernähren uns basisch. Wir frühstücken immer Obst. Wir essen mittags immer Salat und abends immer Gemüse. Dies in vielen Variationen und immer abwechslungsreich. Wir benötigen daher keine basischen Nahrungsergänzungsmittel.
Mir geht es darum, die alltägliche Ernährung so gesund wie möglich zu gestalten. Seitdem wir 2008 auf Nahrungsergänzungsmittel verzichten bin ich weitere 90 Marathons gelaufen – ohne die 21 Spendenmarathons – (Liste aller bisher von mir gelaufenen Marathons) und halte meine Fitness weitgehend. Ich glaube sogar, dass ich nie leistungsfähiger war als zum heutigen Zeitpunkt und ich erkranke seit Jahren nicht mehr an den üblichen Zivilisationskrankheiten. Wenn ich zum Arzt gehe, dann ist es eher wegen eines Rippen- oder Armbruchs, einer Schulterprellung, eines dreifachen Bänderriss oder zur Zahnpflege (alles geschehen...).
Seit acht Tagen konsumiere ich allerdings wieder Nahrungsergänzungsmittel. Wie passt das zusammen? Unsere alltägliche Ernährung passt zu meinem alltäglichen Lebensstil. Dazu zählen beispielsweise wöchentliche Trainingsumfänge von 100 Kilometern, mein Yoga- und mein Ruderprogramm. Was ich jetzt erlebe, ist aber ganz anders. Ich laufe sieben Tage die Woche einen Marathon und ich esse nicht meine gewohnte Kost. Ich muss das nehmen, was ich in unseren Zielorten vorfinde und leider entspricht das oft nicht meinen Ansprüchen. Erst gestern finden wir ein Restaurant vor, was zu meiner großen Überraschung überhaupt keinen Salat anbietet, sondern andere Gerichte, die ich nicht aufzählen möchte. An basische Ernährung zum Beispiel war nicht zu denken. Hinzu kommt, dass ich zu 90 Prozent vegetarisch/vegan lebe. Hülsenfrüchte wie Linsen, Erbsen, Kidneybohnen und Produkte, wie Humus, dienen mir als wertvolle Eiweißquelle. Derartige Gerichte finde ich auf meinen Stationen größtenteils nicht.
Daher habe ich mich nach Rücksprache mit Prof. Dr. Kuno Hottenrott dazu entschieden, folgende Nahrungsergänzungsmittel zu nehmen: Abends nach dem Abendessen führe ich 300 mg Magnesiumnitrat zu und morgens zum Frühstück greife ich auf ein Basenpulver zurück. Gerade in den ersten Tagen habe erlebt, wie stark ich bei Hitze und bis zu 35° schwitze. Ich habe dies als Denkanstoss empfunden, auf mich aufzupassen. Daher habe ich auch kein Problem damit, von meiner Überzeugung auf Nahrungsergänzungsmittel zu verzichten, während des ALS Deutschlandlaufs abzuweichen. In extremen Situationen, bei einem extremen Etappenlauf wie diesem, kann ich auch mal von meinem Grundsatz abweichen. Darüber, ob ich in der zweiten Hälfte des Deutschlandlaufs auch noch veganes Eiweißpulver zu mir nehmen werde, denke ich aktuell nach.
Das Kyffhäuser Denkmal als ständiger Begleiter
Franzi steigt nach 16 Kilometern aus und damit auch meine gute Unterhaltung in den ersten 90 Minuten. Aber auch die Passage bis zur Halbmarathonmarke nach Sangerhausen ist sehr kurzweilig. Die ersten acht Kilometer führen an einer viel befahrenen Landstraße entlang. Gisela fährt mit ihrem E-Bike voraus. Nun möchte Gisela wissen, über was ich mit Franzi geredet habe. Ich erzähle ihr, was ich mir gemerkt habe. Sie hat mir von ihrem Einstieg ins Laufen im Jahr 2008 erzählt, über die Erfahrung, die sie mit Trainern und Ausbildern in Kassel gemacht hat, wie sie 2018 anfängt Instagram zu entdecken und neue Freundschaften in der Laufszene knüpft, bis wir uns irgendwann kennenlernen und sie bei Laufcampus ihre Lauftrainer Ausbildung macht, den Laufcampus Trainerschein C.
Wir laufen durch Sangerhausen und ich ärgere mich, dass ich die Strecke nicht geringfügig anders geplant habe. Ich wäre gerne durch den Ortskern von Sangerhausen gelaufen. Denn da ist ein Markt und er sieht sehr einladend aus. So haben wir die Altstadt nur von weitem gesehen, aber schöne Radwege drumherum kennen gelernt. Bis wir Kelbra erreichen ist auf vielen Kilometern das Kyffhäuser Denkmal unser Begleiter und Blickfang, das in Laufrichtung links von uns auf dem Berg thront. Ich freue mich nun über die Ankunft im Ziel. Dort werden wir vom stellvertretenden Bürgermeister von Kelbra erwartet. Das wird sicher wieder kurzweilig. Dafür bin ich sehr dankbar.
Die Erlösung naht
Die letzten vier Kilometer in Richtung Kelbra lassen mich die Strapazen des Marathons vergessen. Unser Weg führt immer an der Helme entlang, einem naturbelassenen Fluss mit jeder Menge Schilf. Außerdem zieren die Helme zahlreiche Bäume, die in das Wasser hineinragen. Im Ziel, an unserer schönen Pension Weidemühle, werden wir schon vom stellvertretenden Bürgermeister Frank Meyer erwartet. Er überbringt uns sogar ein kleines Präsent. So können Marathonläufe von mir aus immer enden.
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Franzi schildert ihre Eindrücke - Coaching zwischen Lutherstadt Eisleben und Riestedt
Ich begleite Andreas und Gisela heute den ersten Teil ihrer Etappe von Lutherstadt Eisleben nach Kelbra. Geplant sind rund 14 Kilometer. In Lutherstadt Eisleben werden wir um 7:45 Uhr vom Bürgermeister Carsten Staub auf die Strecke geschickt. Ich freue mich sehr, dass der Bürgermeister Interesse an diesem Projekt zeigt und sich extra die Zeit nimmt, um den Startschuss für die neunte Etappe zu geben. Das erste Stück führt uns durch Lutherstadt Eisleben, bevor wir auf einer viel befahrenen Landstraße einige Kilometer zurücklegen. Die ersten acht Kilometer vergehen, trotz der wenig attraktiven Strecke, wie im Flug. Wir haben uns viel zu erzählen. Das Gespräch dreht sich um die Themen Training, Ernährung, Nahrungsergänzungsmittel, Ziele und wie man sie erreichen kann. Hier bringt Andreas sein gesamtes Wissen aufs Tapet. Beim Thema Ernährung stelle fest, dass ich noch viel Potenzial zur Optimierung habe. Nun führt uns die Route durch ein Waldstück nach Blankenheim und von dort aus geht es weiter nach Riestedt. Kurz hinter Riestedt endet für mich diese Etappe. Ich bin erstaunt, dass die Uhr schon 16 Kilometer anzeigt. Zu spannend waren die Themen, die Andreas und ich während dieser Etappe beleuchtet haben.
Thomas Wilde war auch am Start
Frisch geduscht und gut genährt kehren Gisela und ich vom Italiener zur Pension zurück um wenig später auf der Hacke wieder umzudrehen. Thomas ist extra von Berlin aus angereist, um in seinem eigenen Tempo (etwa 7 min/km) den Spendenmarathon nach Kelbra mitzulaufen. Leider hat er von der Startverschiebung um eine Stunde nichts erfahren, so dass er den gewünschten Start gemeinsam nicht miterleben konnte. So ein Mist. Er kommt uns entgegen, wir treffen ihn an einer Brücke und machen kehrt. Der Italiener macht für uns nochmal die Tür auf, wir ordern nochmals Getränke und plaudern eine Dreiviertelstunde im lauschigen Biergarten. Frohen Mutes spaziert Thomas zum Bahnhof und reist zurück Richtung Berlin. Wir werden uns wieder sehen, denn Thomas plant Großes.
Kelbra (Kyffhäuser) - eine freundliche Auestadt
Ein paar Worte über das Kyffhäusergebirge müssen sein. Dieses Gebirge liegt eingebettet zwischen der "Goldenen Aue" im Norden und der "Diamantenen Aue" im Süden. Kelbra, unser Zielort befindet sich unmittelbar am Nordhang des Kyffhäusergebirges. Die Stadt zählt zu den ältesten Siedlungen der "Goldenen Aue". Im Nordhosten des Kyffhäusergebirges befindet sich das touristische Zentrum des Kyffhäusers. Auf dem historischen Burgberg ist das monumentale Kyffhäuser-Denkmal bereits aus großer Entfernung zu erblicken. Dieses markante Bauwerk verleiht dem Gebirge ein unverwechselbares Antlitz. Das Kyffhäuser-Denkmal weist eine Höhe von 81 Metern auf und wurde Ende des 19. Jahrhunderts auf den Resten einer mittelalterlichen Burganlage errichtet. Es erinnert an die Reichsgründung im Jahre 1871 unter Kaiser Wilhelm I. Das Kyffhäusergebirge erlangt in ganz Deutschland einen hohen Bekanntheitsgrad durch das Kyffhäuser-Denkmal und die Barbarossa-Sage.
Das Kyffhäusergebirge ist nahezu vollständig bewaldet. Abseits des Tourismusgebietes hat es zahlreiche schöne Täler- und Höhenzüge zu bieten. Hier ist ein attraktives Wanderareal vorzufinden. Weiterhin gibt es etwa 40 Höhlen in dem vom Südharzer Giskarstgebiet umgebenen Kyffhäuser. Die größte Höhle ist die bekannte Barbarossahöhle.
Eindrücke der 9. Etappe auf Instagram
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Neues von Bruno Schmidt
Ich rufe Bruno an doch der hebt nicht ab. Ein Zeichen, dass er noch nicht sprechen kann, die externe Sauerstoffversorgung noch nicht parat ist. Nach wenigem Klingeln lege ich auf. Bruno wird mich zurückrufen.
Bruno, Norbert, Franzi und ich haben eine Idee: Ein Mutmach Buch. Ein Buch, dass die Geschichte von Bruno erzählt, der sich im Alter von 50 Jahren von seiner den Tod ankündigen Diagnose ALS nicht den Lebensmut nehmen lässt, sondern sein Schicksal in die Hand nimmt, sich informiert, sein Wissen teilt und so zum Bundesverdienstkreuzträger wurde. Und die Geschichte von Andreas, der mit 34 und 35 Jahren jeweils einen Hörsturz hatte, an Burnout erkrankte, seinen Lebensstil überdachte und seit 2001 seine Erfahrungen als Lauf- und Ernährungsexperte weitergibt und heute einer der bekanntesten Laufexperten Deutschlands ist. Ein Buch über zwei Freunde, die ihr Leben gestalten, Hindernisse annehmen, Lösungen finden und aus der Bewältigung von Problemen Kraft ziehen. Ein Buch, das nicht nur die 21 Etappen des Deutschlandlaufs nacherzählt, sondern diese zum Anlass nimmt 21 Tipps zu geben, die Mut machen sollen, das "Schicksal" in die eigene Hand zu nehmen. Was denkst du darüber? Poste gerne deinen Kommentar dazu, hier in der Blog-Kommentarfunktion auf unter dem entsprechenden Beitrag auf Instagram oder Facebook.
Für die Statistik
Läufer*innen am Start:
Andreas Butz, Franziska Dietz
Marathonläufer im Ziel:
Andreas Butz
Danke, dass du dich für mein Projekt interessierst. Ich hoffe es macht auch dir eine Freude, dass wir unsere Erlebnisse direkt aufschreiben. Und wenn du uns und meinem Freund Bruno Schmidt ebenfalls eine Freude machen möchtest, dann schau doch mal, ob einer der nachfolgenden Vorschläge für dich von Interesse ist.
Herzlichst,
Andreas
Möchtest du auf einer Etappe des ALS Deutschlandlaufs mitlaufen?
- Das ist wunderbar, hier findest du Informationen für Mitlaufende.
Möchtest du virtuell mitlaufen?
- Klasse, dann hole dir das offizielle Laufshirt ICH LAUFE MIT und entscheide, wie viel wir in deinem Namen spenden dürfen.
Möchtest du direkt spenden?
- Auch super, erfahre unter dem nachfolgenden Link, wie einfach du für ALS – Alle Lieben Schmidt e.V. spenden kannst.
*netto bedeutet, die reine Zeit in Bewegung, also die Gesamtzeit abzüglich Stopps, wie Fotostopps, Toilettenpausen und Trinkpausen im Stehen. Brutto können die einzelnen Etappen durchaus 15 bis 20 Minuten länger dauern. Eine längere Pause wird aber nie eingelegt.