Gisela mit ihrem Esel auf dem Weg von Kassel nach Warburg

14/21 - Laufcampus Spendenmarathon - Heimat, wir kommen

Heute haben wir einen ruhigen Tag vor uns. Keine Termine am Start, keinen Empfang im Ziel. Keine Mitläufer. Die Strecke wird schön aber auch ohne Highlights. Zeit den eigenen Gedanken nachzugehen. Auch zu Antworten auf Fragen, die mir immer wieder gestellt werden.

Die Natur offenbart sich auf der vierzehnten Etappe von Kassel nach Warburg

Dienstag, 16. August 2022

  • Spendenmarathon heute: 42,3 Kilometer, 430 Höhenmeter (Aufzeichnung auf Strava ansehen), Ø HF: 117 bpm, Ø Pace: 6:05 min/km (*netto)
  • Deutschlandlauf bisher: 610 Kilometer, 3980 Höhenmeter

Heute haben wir einen ruhigen Tag vor uns. Keine Termine am Start, keinen Empfang im Ziel. Keine Mitläufer. Die Strecke wird sicher schön, sich wahrscheinlich aber auch ohne Highlights entwickeln. Wir lassen uns überraschen. Ich nehme mir Zeit eigenen Gedanken nachzugehen. Auch um Antworten auf Fragen zu formulieren, die mir immer wieder gestellt werden.

Mentale Stärke oder einfach nur zufrieden sein?

Ich werde häufiger gefragt, woher ich meine mentale Stärke nehme, um diesen ALS Deutschlandlauf, einen Etappenlauf über drei Wochen, mit rund 940 Kilometern, zu bewältigen. Nicht immer verstehe ich Erwartungshaltung des Fragenden. Ich bin mir nicht ganz darüber im Klaren, ob Werkzeuge aus meinem Koffer der mentalen Kniffe erhofft werden oder einfach nur verstanden werden soll, warum ich so etwas – für viele Unvorstellbares – mache. Ich versuche mich an einer Annäherung und werde nun einige Gedanken mit euch teilen:

1. Liebe, was du tust

Da ich selten kämpfen muss, empfinde ich die mentale Stärke nicht, die andere bei mir vermuten. Ich bin ein Lust-Läufer. Ich laufe, weil es mir Freude macht. Das Laufen an sich spendet mir die Freude. Ich kann Mensch sein, in der Natur sein, mich spüren. Wer liebt, was er tut, muss seltener mental stark sein.

2. Erkenne das Wertvolle in deinem Tun

Der ALS Deutschlandlauf ist ein tolles "Projekt". Gemeinsam mit meiner Frau durchquere ich Deutschland. Wir bereisen sechs Bundesländer zu Fuß oder mit dem Rad. Wir sind vom Ost- bis zum Westzipfel Deutschlands unterwegs und dies langsam. Das ist einfach großartig, unser bisher größtes sportliches und gemeinsames Abenteuer. Es gibt einen Start, es gibt ein Ende, der Weg dazwischen ist ein einziges Highlight. Und die Zeit, die wir hier miteinander verbringen, ist echte "quality time".

3. Ziehe Motivation aus starken Zielen

Neben diesem Projekt habe ich ein starkes Ziel, welches mich ungemein motiviert. AUF JEDEN FALL möchte ich die 21. Etappe erreichen und damit die Voraussetzung dafür schaffen, auf dieser letzten Etappe mit Bruno gemeinsam den letzten Spendenmarathon zu erleben. Und auch unsere Follower wollen, dass ich dieses Ziel erreiche. Bruno und ich, Seite an Seite, wenn auch hintereinander, Bruno vorne im Rolli, ich hinten am schieben. Wir haben jetzt schon eine Menge erreicht, viele Spenden akquiriert und viel Aufmerksamkeit erzeugt, aber ohne die Schlussetappe mit meinem Freund Bruno, wäre das Projekt unvollendet.

4. Erzeuge Erwartungsdruck, wenn Druck dir guttut

Bereits im Mai bin ich mit meinem Vorhaben an die Öffentlichkeit gegangen. Ich habe angekündigt, was ich tun möchte. Damit habe ich eine Erwartungshaltung erzeugt, aber auch für eine Fallhöhe gesorgt, die für mich natürlich riskant ist. Aber genau diese Fallhöhe macht es wieder hochinteressant. Ich habe die Erwartung erzeugt, dass ich etwas Besonderes leisten werde. Also werde ich es auch leisten. Zugegeben, ich spürte diesen Druck besonders während den ersten sieben von diesen 21 Lauftagen. Er war ein Begleiter in meinem Hinterkopf. Aber Druck kann auch ein freundlicher Antreiber sein und in kritischen Situationen ein guter Freund, um auf dem Weg zu bleiben. Ich bin froh, dass ich nach der Ankündigung nun liefern kann. Morgen geht's auf die 15. Etappe. Läuft.

5. Ziehe Kraft aus dem Team, das dich umgibt

Klar ist, dass dieses Projekt mit meiner läuferischen Leistung steht und fällt. Aber ich muss nicht alles alleine leisten. Ich habe ein starkes Team im Hintergrund, das mir den Rücken freihält und viele Aufgaben übernimmt, die es mir ermöglichen, mich auf das Laufen, auf die Ernährung, auf das Schlafen und natürlich auf ein bisschen Social Media Arbeit zu konzentrieren. Zu erkennen, nicht alleine zu sein, gibt mir Sicherheit.

6. Setze dir realistische Zwischenziele

Die Distanz von 940 Kilometern sehe ich selten in Summe. Ich teile mir dieses große Projekt ein. Es sind 21 Tage. 21 Tage sind drei Wochen, die man als eigenständige Ziele definieren und erreichen kann. Nach dem Ende des heutigen Laufs habe ich die zweite von drei Wochen erreicht. Jede Woche besteht wiederum aus sieben Tagen und ich betrachte immer zunächst den einzelnen Tag. Und für jeder dieser im Schnitt 44 Kilometer langen Läufe setze ich mir wieder kleine Zwischenziele, die ich abhaken kann. Die ersten zehn Kilometer, die ersten 20 Kilometer, die Halbmarathonmarke. Nach 25 Kilometern gibt es die erste Dattel, die Zweite nehme ich nach 30 Kilometern und die Dritte nach 35 Kilometern zu mir. In der nächsten Woche werde ich mir nach 40 Kilometern eine vierte Dattel gönnen. Nachdem ich die Halbmarathonmarke geknackt habe erreiche ich eine Noch-Schallmauer. Noch 20 Kilometer. Von hier an fange ich in Fünferschritten herunter zu zählen. Ich führe mir vor Augen, dass ich nur noch 15 Kilometer oder nur noch zehn Kilometer zu bewältigen habe. Ab acht Kilometern teile ich die übrige Distanz in 400-Meter-Abschnitte. Ich denke in Stadionrunden. Somit sind 7600 Meter nur noch 19 Stadionrunden. Wenn ich noch zwei Stadionrunden zu laufen habe, bin ich fast schon im Ziel.

7. Nimm Lob an

Auch die Anerkennung, die ich durch mein Tun erhalte, lässt mich stark bleiben. Anerkennung in Form von Likes, Kudos, Kommentaren, persönliche Nachrichten oder auch so einige Überraschungen und Freude, die mir manche Läuferinnen und Läufer oder Freunde machen, indem sie an die Strecke kommen und Teile davon mitlaufen oder Gisela und mich auf dem Fahrrad begleiten.

8. Sei achtsam in deinem Tun

Falls ich doch mal in ein Gedankenkarussell gerate, indem ich mich zu sehr mit mir selbst beschäftige und auf negative Körpersignale achte, versuche ich mich dadurch abzulenken, indem ich achtsam bin und den Moment genieße. Dazu richte ich den Blick vom Boden auf. Ich schaue in die Ferne und sehe, was zu sehen ist. Weiterhin verschaffe ich mir Ablenkung, indem ich mich mit Freunden oder meiner Begleitung unterhalte. Das holt mich aus möglicherweise negativen Gedanken heraus. Eine weitere Möglichkeit sind Meditationstechniken. Dabei versuche ich zum Beispiel jeden einzelnen Schritt wahrzunehmen. Klapp, klapp, klapp, klapp. Nach etwa einer Minute lege ich meinen Fokus auf die Armhaltung, wie ich die Arme anwinkle und die leicht geöffneten Hände vor die Brust führe. Danach spüre bewusst – wiederum für gefühlt eine Minute –, wie ich die linke und rechte Hüfte abwechselnd nach vorne bewegen. Dann achte ich darauf, wie ich den Körper aufrichte, wie ich mich abrücke, u.s.w. Leichte Aufgaben für meine Aufmerksamkeit, die schlechten Gedanken keinen Raum lasse. Und auch diese Zeilen, dich ich gleich zum Anfang des heutigen Laufs in mein Smartphone diktieren, lassen mich die Zeit und gegebenenfalls Strapazen vergessen. Und plötzlich haben wir die ersten 90 Minuten geschafft.

9. Mach' dein Ding

Wenn alles nichts hilft und wenn man sich nicht motiviert bekommt, dann muss man auch mal die Dinge einfach nur durchziehen. Nicht jammern, sondern machen. Ich habe einen Job zu erledigen und dieser Job heißt 21 Marathons in 21 Tagen zu laufen. Wenn ich das nicht schaffe, enttäusche ich viele Menschen und das ist sicherlich eine wertvolle Analogie zum beruflichen Alltag. Arbeit macht nicht immer Spaß. Arbeit kann nicht immer Spaß machen. Manchmal muss man einfach durchziehen und sein Ding machen.

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Weiter geht's durch die prachtvolle Natur

So eben habe ich die Kilometer 15 Marke erreicht. Und mir wird klar, dass ich mir noch gar keine Gedanken zur Laufstrecke gemacht habe. Diese ist einfach nur schön und abwechslungsreich durch Wälder und über Felder. Es gibt keine besonders markanten Punkte, keine Seen, an denen wir vorbei laufen, keine Flüsse, auf denen etwas zu entdecken ist. Wir laufen einfach nur durch die prachtvolle Natur.

Die Kilometer 15 bis 30 entwickeln sich anders. Nach den ersten sehr waldigen Passagen laufen wir anschließend bis etwa Kilometer 25 hauptsächlich durch offene Felder. Das Profil ist wellig und die Felder bieten uns immer wieder schöne Fernblicke. Gisela und ich fangen an zu vergleichen und denken so oft, dass diese Landschaft jener bei uns in der Eifel ähnelt. Ab Kilometer 25 durchlaufen wir viele, kleine Orte mit netten Namen, wie Liebenau und Zwergen.

Auf den letzten zehn Kilometern ist die Diemel unser ständiger Begleiter. Teilweise laufen wir auf dem Diemelradweg und teilweise aber auch über enge, schmale Trails durch den Wald. Die Strecke an sich ist ein Träumchen, aber für Gisela mit ihrem Elektroesel ein spannendes Unterfangen. Das Diemeltal zeigt sich sehr abwechslungsreich. Wir finden viele wildromantische Ecken, viele bestellte Felder, viele Apfelbäume und schöne Fernblicke. Ein Highlight ist es unter der imposanten Diemel-Eisenbahn-Brücke durch zu laufen.

Sieben Kilometer vor dem Ziel erblicken wir das erste Mal einige Dächer von Warburg. Das Ziel nähert sich. Wir freuen uns.

Angekommen im Heimatbundesland Nordrhein-Westfalen

Als wir etwa dreieinhalb Kilometer vor unserem Ziel das erste Mal Warburg erreichen, wird uns bewusst, dass wir in Nordrhein-Westfalen angekommen sind. Nordrhein-Westfalen, das sechste Bundesland, was wir bis zum Ziel nur noch einmal kurz verlassen werden. Und zwar, wenn wir in der 20. Etappe nach Holland laufen um dann, zusammen mit Bruno, auf der 21. Etappe zum Westzipfel in Selfkant zu laufen und nach NRW zurückkehren. Wir sind in Sachsen gestartet, haben irgendwann Sachsen-Anhalt erreicht, schließlich Thüringen, um dann sowohl Niedersachsen als auch Hessen zu durchlaufen. Ab morgen wird unser Heimatbundesland Nordrhein-Westfalen unser Laufterrain sein. 

Warburg - eine alte Stadt mit jungem Herz

Ein paar Worte über die Hansestadt Warburg müssen sein. Die Stadt ist historisch, beschaulich und charmant. Sie ist in eine wunderschöne Natur eingebettet und liegt zwischen Kassel und Paderborn. Die abwechslungsreiche, reizvolle Landschaft lädt zu zahlreichen Aktivitäten ein. Besonders großer Beliebtheit erfreut sich der 111 Kilometer lange Diemelradweg. Er beginnt an der Quelle der Diemel in Usseln und führt bis zur Mündung nach Bad Karlshafen. Warburg bildet den Mittelpunkt der Diemel-Radtour.

Für ausgedehnte Wanderungen bietet sich der 18 Kilometer lange Diemel-Rundweg an. Die Route beginnt am beschaulichen mittelalterlichen Marktplatz der Warburger Altstadt. Von dort führt der Rundweg an der Diemel entlang hinauf in die Warburger Börde. Bereits von Weitem ist der Desenberg erkennbar. Eine Besteigung lohnt sich in jedem Fall. Der Gipfel bietet wundervolle Ausblicke über das Diemeltal.

Wer sich für die Warburger Stadtgeschichte interessiert, sollte das Museum im Stern besuchen. Außerdem können in Warburg viele schöne Fachwerkhäuser bestaunt werden.

Eindrücke der 13. Etappe auf Instagram

-> Für mehr Bilder nach rechts klicken

Neues von Bruno Schmidt

Am Nachmittag telefoniere ich wieder mit Bruno. Über den heutigen Tag und was alles noch ansteht, bis wir uns endlich treffen. Ich bitte ihn nun den 23. August zu planen, damit wir wissen, wann Bruno uns in Venlo erreichen kann und wir dann den finalen Marathon starten können. Da wahrscheinlich auch einige weitere Mitlaufende den Abschluss des ALS Deutschlandlaufs mit uns laufend feiern möchten, müssen wir allmählich die voraussichtliche Startzeit kommunizieren. Und diese bestimmt allein Bruno Schmidt. Anschließend erzählt er mir von einem Überraschungsbesuch heute morgen. Weil ich alles korrekt wiedergeben möchte, bitte ich Bruno mir eine WhatsApp zu schreiben, die ich hier posten darf:

"Heute um 9 Uhr stand spontan mein Lungenfacharzt vor der Haustüre. Er kam zum Hausbesuch. Zu dieser Zeit saß ich leider noch im Toilettenstuhl. Und da ich dachte, das wird sicher ein schneller Besuch, blieb ich im Toilettenstuhl sitzen, was im Nachhinein nicht gut war, weil mir nach einer Stunde im Toilettenstuhl der Po sehr weh tat. Der Lungenfacharzt hat eine BGA (Blutgasanalyse) an mir durchgeführt. Es werden der pH Wert, der CO2 Wert, spO2 Wert und weitere Werte bestimmt. Dafür dürfte ich aus meinen Ohrläppchen Blut lassen. Die Ergebnisse waren in Ordnung. Außerdem wurden Anpassungen an meinen Beatmungsgeräten, sowie an meinen Hustenassistenten vorgenommen. Mein Lungenvolumen nimmt stetig ab, deswegen müssen solche Kontrollen regelmäßig stattfinden."

Für die Statistik

Läufer*innen am Start:

Andreas Butz

Marathonläufer im Ziel:

Andreas Butz

Danke, dass du dich für mein Projekt interessierst. Ich hoffe es macht auch dir eine Freude, dass wir unsere Erlebnisse direkt aufschreiben. Und wenn du uns und meinem Freund Bruno Schmidt ebenfalls eine Freude machen möchtest, dann schau doch mal, ob einer der nachfolgenden Vorschläge für dich von Interesse ist.

Herzlichst,

Andreas


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*netto bedeutet, die reine Zeit in Bewegung, also die Gesamtzeit abzüglich Stopps, wie Fotostopps, Toilettenpausen und Trinkpausen im Stehen. Brutto können die einzelnen Etappen durchaus 15 bis 20 Minuten länger dauern. Eine längere Pause wird aber nie eingelegt.

1 Kommentar

Falk

Falk

Was ich wirklich bewundernswert finde ist die tiefe Freundschaft zwischen Andreas und Bruno. Wäre die Situation anders würde Bruno sicher das Gleiche tun.
Gisela gebührt für den Support ebenso volle Achtung. Klasse.

Was ich wirklich bewundernswert finde ist die tiefe Freundschaft zwischen Andreas und Bruno. Wäre die Situation anders würde Bruno sicher das Gleiche tun.
Gisela gebührt für den Support ebenso volle Achtung. Klasse.

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