Ein Marathon in der Rauchbucht von Island
Schon vor dem Abflug mit dem Ziel Teilnahme am Reykjavik Marathon teilte uns ein Mitreisender einen faszinierenden Gedanken mit: „In Island kann man überall spüren, wie dünn die Erdoberfläche ist.“ Kaum auf der Insel angekommen, bestätigte sich seine Aussage auf dramatische Weise.
Wir landeten um die Mittagszeit in Keflavik, eilten zum Mietwagen und besuchten noch am Nachmittag die heißen Thermalquellen von Gunnuhver. Die Erde schien zu kochen. Aus zahlreichen kleinen Rissen stieg zischend heißer Dampf auf und gab uns eine erste Idee von den unglaublichen geologischen Aktivitäten unter unseren Füßen. Island ist wasserreich und die Erdschicht dünn. Wenn Wasser durch Erdrisse auf Magma trifft, wird es erhitzt und steigt als Dampf wieder auf. Fasziniert nutzten wir den angebotenen Rundweg. Unsere Wege waren feucht und bald nicht nur die Wege. So beschlossen wir, unser weiteres Programm abzukürzen. Island lebt buchstäblich auf dem Vulkan, was wir bald noch deutlicher zu spüren bekommen sollten.
Noch in der Nacht zum Freitag, nur wenige Stunden nach unserer Ankunft, ereignete sich ein Ereignis, über das weltweit die Medien berichten sollten: ein Vulkanausbruch, nur wenige Kilometer von genau den Quellen entfernt, die wir kurz zuvor besucht hatten. Ein kilometerlanger Riss öffnete die Erde und spülte nicht mehr nur Dampf, sondern auch Magma an die Erdoberfläche. Die Eruption ging mit einer Erschütterung einher, die auch in der vierzig Kilometer weit entfernten Hauptstadt Reykjavik zu spüren war, wo wir aber friedlich schliefen. Erst wenige Tage später sahen wir aus der Ferne die viele hundert Meter hohe Dampfsäule in den Himmel steigen und dienstags auf unser Rückfahrt zum Flughafen sogar den Vulkan. Vom Auto aus erblickten wir den immer noch blutrot brodelnden Vulkan, der uns einen feurigen Abschiedsgruß zu schicken schien. Welch ein Schauspiel der Natur. Hier der Bericht zum Vulkanausbruch auf tagesschau.de.
Auch in den Tagen dazwischen erlebten wir Island als ein ständiges Wechselspiel aus rauer Natur und prachtvoller Schönheit, geformt von Vulkanen und Gletschern. Mal trotzen wir in Outdoor-Kleidung gehüllt den eisigen Winden. Anderentags genossen wir halbnackt ein Bad in etwa 40 Grad heißem Quellwasser, das einen langen, knietiefen Fluss formte und sich zu einem beliebten Treffpunkt der Outdoor-Enthusiasten entwickelt hat. Die etwa einstündige Wanderung bergauf haben wir gerne in Kauf genommen, um dieses Bad in der prallen Landschaft von Reykjadalur zu genießen. Die zahlreichen heißen Quellen werden aber nicht nur zum Baden genutzt. Dank der geothermischen Energie kann Island nahezu seinen gesamten Energiebedarf aus der Erdwärme gewinnen und ist damit ein Vorreiter nachhaltigen Lebens.
Bergab waren wir nur noch dankbar am Strahlen. Und wir überlegten: Welches war bisher das beeindruckendst Erlebnis? Das am Samstag, als wir in den Abendstunden einen prächtigen Wasserfall ganz allein erlebt durften, lediglich begleitet von ein paar friedlich grasenden Schafen? Oder am Sonntagnachmittag, als wir einen der beliebtesten Wasserfälle mit etwa hundert anderen Touristen gleichzeitig erlebten? Dabei genossen wir einen kurzen spektakulären Spazierweg, der uns sogar hinter die aus 65 Meter Höhe hinab tosenden Wassermengen führte, über das nachfolgend eingebettete Video seht ihr mehr von diesem Wasserfall:
Oder war das eindrucksvollste Erlebnis doch der Marathon durch Reykjavik und sein Umland, der Anlass für unsere Reise.
40. Reykjavik Marathon – Ein unvergessliches Erlebnis
Ich erlebte 42,195 Kilometer pure Lauffreude durch die schöne Hauptstadt Islands. Hier leben etwa ein Drittel der 390.000 Isländer und bilden damit die nördlichste Hauptstadt Europas, in einem der westlichsten Länder unseres Kontinents. Eine großartige Stimmung, feierwütige Zuschauer und unermüdliche Helfer – das macht diesen Marathon zu etwas ganz Besonderem, wie ihr auch in dem kurzen Instagram Reel von Andreas erleben könnt:
Was mich besonders beeindruckt hat, war die internationale Vielfalt der Teilnehmer. Menschen aus den unterschiedlichsten Nationen kamen zusammen, um an diesem besonderen Marathon teilzunehmen. Dies zeigt, wie stark Island durch seine positive Präsenz in den Medien die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Durch herausragende Sportler bei internationalen Wettkämpfen – ich denke dabei an unvergessliche Momente wie die Fußball-WM 2006 in Deutschland – hat Island es geschafft, Neugierde und Begeisterung für das Land und seine Bewohner zu wecken.
Auch die Strecke des Marathons selbst war beeindruckend. Sie führte durch die lebendige Innenstadt Reykjaviks, aber auch entlang der Küste und im Landesinneren vorbei an Flüssen und Bergen. Die Strecke bot eine schöne Gelegenheit ein Bild davon zu bekommen, was Stadt und Land ausmachen. Zwischen den begeisterten Zuschauern gab es auch Abschnitte, die durch ruhigere, unbewohnte Gebiete führten, wo man ganz bei sich sein und die Landschaft still auf sich wirken lassen konnte. Auf Instagram habe ich einen kleinen Film dazu veröffentlicht, denn immer wieder habe ich mein Smartphone gezückt, um ein paar Impressionen festzuhalten.
Den ersten Halbmarathon lief ich in 1:55 Stunden, für den zweiten benötigte ich 1:50 Stunden, weil ich Freude daran empfinde zum Ende hin einige Läufer zu überholen. Das verkürzt in mehrfacher Hinsicht die Zeit. Am Ende standen 3:44:55 Stunden für mich in der Ergebnisliste.
Dieser Marathon war mehr als nur ein Lauf – es war eine Entdeckungsreise durch eine Stadt, die Moderne und Tradition auf einzigartige Weise verbindet. Reykjavik ist kompakt, aber dennoch voller Charme, Kultur und Energie, was das Erlebnis umso unvergesslicher gemacht hat.
Junges Island
Island ist eine Insel, die in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich ist. Ihre isolierte Lage im Nordatlantik, die atemberaubende Natur und die einzigartige Geschichte machen sie zu einem faszinierenden Ort, den es zu entdecken gilt. Eine der bemerkenswertesten Fakten über Island ist die relativ späte Besiedlung. Die Insel wurde erst im Jahr 874 n. Chr. dauerhaft bewohnt, als der norwegische Wikinger Ingólfur Arnarson als erster Siedler dort Fuß fasste (sein Denkmal steht unweit vom Marathonziel). Zum Vergleich: Deutschlands älteste Stadt Trier blickte zur Zeit der Besiedlung Islands bereits auf eine über 800 Jahre Geschichte zurück. Island ist damit eine der jüngsten Nationen Europas.
Sightrunning durch Reykjavik
Die Landeshauptstadt ist in meinen Erzählungen bisher zu kurz gekommen, daher ergänze ich hier unseren Erlebnisbericht von einem etwa 11 Kilometer langen Lauf, bei dem wir die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt gestreift haben. Die hier nachfolgend beschriebene Route könnt ihr über Strava nachvollziehen:
Und so starteten wir montags bei bestem Wetter, Sonnenschein und Windstille an unserer Ferienwohnung in der Skeggjagata und machten uns in Laufschuhen auf den Weg. Unser erstes Ziel war die beeindruckende Hallgrímskirkja – eine Kirche, die nicht nur durch ihre Größe, sondern auch durch ihre einzigartige Architektur auffällt. Sie wurde erst 1986 fertiggestellt und ihre Architektur soll an die Basaltsäulen erinnern, die man auf Island zahlreich findet. Nach einem Blick auf das Leif Eriksson Denkmal, direkt vor der Kirche, einer Skulptur zu Ehren des möglicherweise ersten Europäers, der viele Jahrhunderte vor Kolumbus Amerika betrat, liefen wir weiter durch die Stadt.
Die Haupt-Einkaufsstraße Laugavegur war unser nächstes Zwischenziel. Unzählige Male sind wir während unseres Aufenthalts entlang der Shops gebummelt. Hier ist die Stadt sehr wuselig, den Touristen sei Dank, denn alle lieben die bunten Häuser, interessanten Geschäfte und den Hauch von isländischem Großstadtflair. Auch ich kaufte hier direkt am ersten Tag unseres Aufenthalts ein, denn Handschuhe und eine ordentliche Outdoor-Jacke fehlten in meinem Reisegepäck. Am Ende der langen Straße erreichten wir nicht nur das Meer, sondern vor allem das historische Höfði House, das 1986 Schauplatz des berühmten Gipfeltreffens zwischen Reagan und Gorbatschow war. Ein Haus, das viel diplomatische Geschichte in seinen Mauern trägt.
Und weiter liefen wir am Meer entlang und erfreuten uns an der Skulptur Sun Voyager. Dieses stilisierte Wikingerschiff soll Freiheit und Abenteuerlust ausstrahlen – ein perfekter Stopp, um kurz innezuhalten, die Meeresluft zu genießen und uns unserer eigenen Reiselust zu erfreuen.
Keine Laufrunde durch Reykjavík ist komplett ohne einen Abstecher zur beeindruckenden Harpa Konzerthalle. Mit ihrer glänzenden Glasfassade und den geometrischen Formen ist sie ein modernes Kunstwerk und architektonisch der perfekte Kontrast zum eben noch erwähnten Höfði House.
Von dort aus führte uns unser Lauf weiter zum Denkmal des eben schon erwähnten Ingólfur Arnarson, dem ersten Siedler Islands. Es steht auf dem Hügel Arnarhóll, der uns einen großartigen Blick auf die Stadt bot, bevor wir unseren Weg hinunter zum charmanten Tjörnin See fortsetzten. Hier konnten wir diesmal die entspannte Atmosphäre genießen und daran denken, dass ich zwei Tage zuvor genau hier zum Reykjavík Marathon gestartet bin.
Wir setzten unseren Rundkurs fort und kamen an der Skulptur Sorun vorbei, ein Werk der isländischen Bildhauerin Ólöf Pálsdóttir. Eine Hommage an die Jugendlichkeit. Schön, dass wir Senioren fit genug sind, dies nachzulesen.
Nun folgte ein längerer, aber lohnender Anstieg hinauf zum Perlan (60 m). Nach einigen Kilometern durch die Stadt wurden wir mit einer schönen Aussicht über Reykjavík belohnt. Der perfekte Ort, um einmal tief durchzuatmen, die Umgebung zu genießen und dankbar für das bisher erlebte zu sein. Von dieser Anhöhe aus entdeckten wir erstmals die Dampfsäule des Vulkanausbruchs.
Auf unserem Rückweg liefen wir durch einen kleinen Park, den ich am Freitag bereits zweimal umrundet hatte, diesmal aber mitten durch, am Museum Kjarvalsstaðir vorbei. Ein idyllischer Ort, um den Lauf gemütlich bergab joggend ausklingen zu lassen. Schließlich erreichten wir nach rund 11 Kilometern wieder unsere Ferienwohnung – glücklich nach diesem Sightrunning durch diese wunderbare Stadt.
Während ich auf dem Rückflug diese Zeilen schreibe, geht langsam eine Reise zu Ende, auf die wir uns lange gefreut und intensiv vorbereitet haben. Wir haben nicht nur zahlreiche Dokumentationen auf YouTube oder in der Mediathek geschaut, sondern auch sämtliche Spielfilme und Krimis, die auf Island spielen. Einen Marathon zum Anlass zu nehmen, um ein neues Land kennen zu lernen, wir lieben das. Daher war der Reykjavik Marathon bereits mein 207. Marathon im 27. Land dieser Erde. Auf das was da noch kommt.
1 Kommentar
Wolfgang Bernath
Vielen Dank, lieber Andreas, für diesen tollen Bericht. Spätestens jetzt weiß ich sicher, daß ich da auch hinkommen muß. Ich freue mich auf unser nächstes gemeinsames Abenteuer.
Vielen Dank, lieber Andreas, für diesen tollen Bericht. Spätestens jetzt weiß ich sicher, daß ich da auch hinkommen muß. Ich freue mich auf unser nächstes gemeinsames Abenteuer.