Tipps zur richtigen Anwendung von Energy Gels
Energy Gels können beim Rennen eine wertvolle Hilfe sein, die durch Training erreichte Leistungsfähigkeit beim Wettkampf auf die Strecke zu bringen. Gels können aber auch zur Belastung und Ursache für Verdauungsprobleme führen, wenn man diese falsch anwendet. Für diesen Artikel habe ich häufig zu beobachtenden Fehler herausgearbeitet, deren Vermeidung die Grundlage für eine erfolgreiche Verpflegungsstrategie beim Halbmarathon oder Marathon ist.
1. Unwissenheit über den Kalorienverbrauch
Die meisten Sportler sind über sich über ihren Energieumsatz beim Rennen und Training im Unklaren. Ein Blick auf die Trainingsanalyse kann hier Abhilfe schaffen. Moderne Sportuhren, ich nutze aktuell die Vantage 3 von Polar, schätzen nach dem Laufen den Kalorienverbrauch und die Verteilung des Umsatzes auf die Energiequellen Glykogen (Kohlenhydrate), Fette und Eiweiß. Die Ergebnisse hängen selbstverständlich stark von der individuellen Fitness ab (Größe, Gewicht, Körperzusammensetzung), dem Trainingszustand und der Intensität des Trainings oder Rennens. Ein Blick auf die Auswertung zeigt mir, dass ich bei einem Dauerlauf im niedrigen LDL-Bereich (71 bis 75 % des Maximalpulses) etwa 35 % der Bewegungsenergie aus Glykogen gewinne. Im Vergleich dazu erhalte ich beim Marathon, den ich mit etwa 85 bis 87 % der Hfmax laufe, zu etwa 55 bis 60 % der Bewegungsenergie aus den Glykogendepots. Der Rest der Energie verteilt sich auf die Quellen Fette und Proteine. Der Bedarf an Kohlenhydraten bei einem Marathonrennen ist also enorm.
2. Unwissenheit über die körpereigenen Ressourcen
Glykogen, als das in den Zellen gespeicherte Kohlenhydrat, spielt eine entscheidende Rolle in der Energiebereitstellung während des Laufens. Die wissenschaftliche Annahme liegt bei etwa 300 Gramm Muskelglykogen und etwa 150 Gramm Leberglykogen im menschlichen Körper. Mit der Erkenntnis, dass 1 Gramm Glykogen ungefähr 4 Kalorien liefert, stehen uns theoretisch etwa 1.600 Kalorien zur Verfügung, wenn wir von einem Vorrat von 400 Gramm Glykogen ausgehen. Doch ein schneller Marathon verbraucht fast 3.000 Kalorien.
Konkret zeigen meine Marathonläufe in Riga (Mai 23) und Helsinki (August 23), dass ich laut meiner Polar im Durchschnitt etwa 2.900 Kalorien verbraucht habe. Dabei stammten 55 % dieser Energie aus Kohlenhydraten, 35 % aus Fetten und 10 % aus Eiweiß. Auch wenn Fette eine ergiebige Energiequelle darstellen, selbst bei meinem niedrigen Körpergewicht von 65 kg und einem Körperfettanteil von 10 %, so verbrennen diese im "Feuer" der Kohlenhydrate. Das bedeutet, um von der Fettverbrennung zu profitieren, benötigen wir ausreichend Kohlenhydrate. Die Kunst ist, dass die Energie aus den Glykogendepots mit Unterstützung durch zugeführte Kohlenhydrate so lange reicht, bis man das Marathonziel überschritten hat. Wer den Marathon nur im Dauerlauftempo joggt, so wie ich es auch häufig mache (siehe dazu meine Liste an Marathonläufen), kann ohne Gels auskommen. Wer aber maximal schnell laufen möchte, braucht nicht nur ein gutes Fettstoffwechseltraining, sondern auch eine gute Verpflegungsstrategie mit Kohlenhydraten.
Wichtig ist zu verstehen, dass nicht nur die Beine, sondern sämtliche Organe im Körper während des Laufens auf Kohlenhydrate angewiesen sind. Selbst die Verdauungsorgane, die uns mit Energie versorgen sollen, müssen selbst genährt werden. Die optimale Strategie, um während des Rennens genügend Energie bereitzustellen, besteht daher darin, im Training die Fähigkeit zur Fettverbrennung zu verbessern und während des Rennens leicht verdauliche Energiequellen zuzuführen.
3. Unwissenheit über die Menge an Kohlenhydraten im Energy Gel
Beim Umgang mit den oben erwähnten Erkenntnissen sollte man beim Rechnen vorsichtig sein, insbesondere hinsichtlich der auf der Verpackung angegebenen Werte, die nicht unbedingt der tatsächlichen Menge an enthaltenen Kohlenhydraten entsprechen. Ein genauer Blick auf die Nährwertangaben auf der Verpackung ist hier entscheidend. Als Beispiel liefert eine mit 33 g bemessene Packung meines bevorzugten Gels, dem Squeezy Formula Basic, 21 Gramm Kohlenhydrate und 86 Kalorien.
Es wird angenommen, dass der Körper während des Sports maximal 60 bis 90 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde aufnehmen kann. Dies führt zu einem maximalen Zufuhrpotenzial von 180 bis 270 Gramm Kohlenhydraten für einen 3-Stunden-Marathon (maximal 9 bis 13 Gels) und 360 bis 540 Gramm (17 bis 25 Gels) für einen 6-Stunden-Marathon.
9 bis 13 Gels für einen 3-Stunden-Marathon entsprechen 780 bis 1120 Kalorien und scheinen mir bei gutem Trainingszustand deutlich zu viel zu sein. Warum ich hier zu 5 Energy Gels rate, lesen Sie unter Energy Gel beim Marathon – Ihr Gel-Plan. Einem 6-Stundenläufer hingegen empfehle ich mindestens 8 Gels.
Es wird deutlich, wie wichtig es ist, den eigenen Bedarf zu kennen und im Training zu beobachten und die tatsächlichen Nährwertangaben auf den Verpackungen zu berücksichtigen. Je besser Ihre Fitness, Ihr Trainingszustand und je schneller Ihre Zielzeit ist, umso weniger Gels werden Sie benötigen.
4. Falsches Timing und falsche Menge
Ein häufiger Fehler beim Einsatz von Energy Gels besteht darin, dass sie entweder zu spät oder zu früh während des Laufs eingenommen werden. Das richtige Timing spielt eine entscheidende Rolle, um sicherzustellen, dass die Energie genau dann verfügbar ist, wenn sie benötigt wird.
Des weiteren ist es ein Fehler, zu große Mengen an Gels auf einmal zu konsumieren. Während körperlicher Belastung im Rennen ist die Verdauung, und somit die Aufnahme von Kohlenhydraten und Wasser, begrenzt. Es ist möglich, kleine Mengen zu verdauen, aber größere Mengen können das Verdauungssystem überfordern.
Eine effektivere Strategie ist es, zwei bis drei Gels pro Stunde zuzuführen, anstatt zwei Stunden zu verzichten und in der dritten Stunde zu versuchen, 150 g Kohlenhydrate – entsprechend sieben Gels – in einer Stunde aufzunehmen. Eine gut durchdachte Verpflegungsstrategie, wie in Energy Gel beim Marathon – Ihr Gel-Plan beschrieben, kann die Energieaufnahme während des Laufs zu optimieren.
5. Fehler in der Flüssigkeitsaufnahme beim Rennen
Nicht nur die Beine, sondern auch die Verdauung profitieren von ausreichender Flüssigkeitszufuhr. Der deutlich sichtbare Verlust an Körperflüssigkeit beim Schwitzen macht sich nicht nur am äußeren Erscheinungsbild, sondern auch im Puls bemerkbar. Die Viskosität des Blutes erhöht sich, wodurch das Herzkreislaufsystem intensiver arbeiten muss, um die Organe mit Blut, Energie und Sauerstoff zu versorgen. Zudem benötigt auch die Verdauung von Kohlenhydraten ausreichend Flüssigkeit.
Energy Gels sind oft hochkonzentriert. Daher ist es entscheidend, nach der Einnahme von Gels ausreichend Wasser zu trinken, um die Verdauung im Magen zu erleichtern. Ein weiterer Aspekt ist die mögliche Austrocknung der Mundschleimhaut, insbesondere unter intensiver körperlicher Belastung, was besonders im Sommer spürbar ist. In jedem Fall, ob im Winter oder Sommer, ist eine großzügige Flüssigkeitszufuhr entscheidend, um die Leistungsfähigkeit bestmöglich aufrechtzuerhalten.
6. Nicht auf individuelle Bedürfnisse abgestimmte Gels
Ein häufiger Fehler besteht darin, dass Läufer nicht ausreichend darauf achten, welche spezifischen Inhaltsstoffe in den verschiedenen Energy Gels enthalten sind. Da nicht alle Gels die gleiche Zusammensetzung aufweisen und individuelle Reaktionen auf bestimmte Inhaltsstoffe stark variieren können, ist es von großer Bedeutung, Gels zu wählen, die den eigenen Bedürfnissen und Vorlieben entsprechen.
Besonders relevant ist die Unterscheidung zwischen Fruktose und Glukose in den Gels. Einige Athleten reagieren empfindlich auf Fruktose, insbesondere während intensiver Belastungen. Daher ist es ratsam, die Menge und Art der enthaltenen Kohlenhydrate zu überprüfen. Zudem enthalten manche Gels unterschiedliche Mengen an Koffein oder zusätzliche Elektrolyte, die die Leistung und die Verträglichkeit beeinflussen können. Die individuelle Abstimmung auf die Bedürfnisse des Läufers spielt eine entscheidende Rolle für den Erfolg beim Einsatz von Energy Gels.
7. Missachtung von Natrium- und Elektrolytmangel
Ein häufig übersehener Aspekt im Laufsport ist die Missachtung von Natrium- und Elektrolytmangel. Krämpfe, die während des Laufens auftreten können, lassen sich in der Regel auf mangelhaftes Training und oft auf Dehydration oder Natriummangel zurückführen. Es ist entscheidend, die Bedeutung einer ausgewogenen Flüssigkeits- und Elektrolytbilanz zu erkennen, um optimale Leistungen zu gewährleisten.
Ein verbreiteter Irrtum besteht darin, dass die Zufuhr von Magnesium während des Rennens Krämpfen vorbeugen kann. Wissenschaftliche Studien zeigen jedoch, dass Magnesiummangel eher selten die Ursache für Muskelkrämpfe beim Laufen ist. Im Gegensatz dazu spielt Natrium eine entscheidende Rolle bei der Regulation von Muskelkontraktionen. Die Zufuhr von Salz in angemessener Menge, etwa 1 bis 2 Gramm pro Stunde, ist daher von großer Bedeutung, um Elektrolytungleichgewichte zu vermeiden und die Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten.
Darüber hinaus bleibt festzustellen, dass selbst die cleverste Verpflegungsstrategie keine Mängel im Training oder der alltäglichen Ernährung ausgleichen kann.
8. Zu viele Inhaltsstoffe im Gel
Um die Effizienz der Energieaufnahme zu maximieren, ist es entscheidend, Gels mit einem Blick auf ihre Osmolarität zu wählen. Osmolarität ist ein Begriff aus der Chemie und bezieht sich auf die Konzentration von gelösten Teilchen in einer Flüssigkeit. Im Kontext von Energy Gels ist es wichtig zu verstehen, wie diese Konzentration den Körper beeinflussen kann.
Die Osmolarität eines Gels sollte so ausgewogen sein, dass sie dem Körper erlaubt, die enthaltenen Substanzen effektiv aufzunehmen. Der Körper benötigt hauptsächlich Kohlenhydrate, Wasser, Natrium (Salz) und Kalium. Wenn die Osmolarität zu hoch ist, kann dies zu einer Verzögerung der Magenentleerung führen, was wiederum die Energieaufnahme verlangsamt und möglicherweise Verdauungsprobleme verursacht.
Durch die Auswahl von Gels mit wenig Inhaltsstoffen stellt man sicher, dass die enthaltenen Nährstoffe schnell und effizient vom Körper aufgenommen werden können. Dies spielt eine entscheidende Rolle, um während des Laufens eine konstante Energiezufuhr aufrechtzuerhalten und gleichzeitig mögliche Magen-Darm-Probleme zu vermeiden.
Viel hilft viel, gilt für die Trainingskilometer, nicht aber für die Inhaltsstoffe beim Energy Gel.
9. Verwendung von Gels im Rennen ohne angepasste Verdauung
Ein gravierender Fehler besteht darin, im Wettkampf auf Energy Gels zurückzugreifen, die zuvor nicht im Training getestet wurden. Das Fehlen von Tests kann zu unangenehmen Überraschungen führen, da die Verträglichkeit individuell unterschiedlich ist. Es ist ratsam, verschiedene Marken und Varianten von Energy Gels im Training zu testen, um sicherzustellen, dass sie gut vertragen werden und die gewünschte Energieversorgung bieten.
Ein weiterer häufiger Fehler liegt in der Vernachlässigung der schrittweisen Anpassung des Verdauungstrakts an die Aufnahme von Kohlenhydraten während der Belastung im Training. Ein untrainierter Verdauungstrakt kann bei plötzlicher Einnahme von Energy Gels während des Wettkampfs Probleme verursachen. Es ist empfehlenswert, den Körper allmählich an die Aufnahme von Gels zu gewöhnen, um mögliche Verdauungsprobleme zu minimieren. Dies kann durch schrittweise Erhöhung der Gel-Mengen während des Trainings erreicht werden.
Desletzt hörte ich die plausible Empfehlung, dass man Gels bei mindestens sieben Trainingseinheiten erfolgreich anwenden und testen sollte, bevor man diese beim Rennen einsetzt. Meine Erfahrungen und Tipps dazu, wie ich Energy Gels intensiv im Training getestet und meinen Darm an die Verstoffwechselung gewöhnt habe, bevor ich diese im Rennen verwendet habe, teile ich in meinem Artikel Energy Gels, Energieriegel & Iso Drinks.
10. Überbewertung von Gels und deren Bedeutung
Ein bedeutender Fehler beim Einsatz von Energy Gels besteht in der zweckentfremdeten Anwendung dieser Produkte im Alltag. Es ist von großer Wichtigkeit, sich bewusst zu machen, dass eine vollwertige Ernährung und ausreichende Flüssigkeitszufuhr in der Vorbereitung auf den Lauf ebenso entscheidend sind. Gels sind für die Anwendung im Sport optimierte Produkte, können aber eine natürliche Nährstoffversorgung mit reichlich Obst, Salat, Gemüse, Vollkorn und Nüssen niemals ersetzen.
Sich im Alltag von ISO, Riegeln und Energy-Gels zu ernähren kann zu Mangelernährung führen, da diese Produkte nicht alle notwendigen Nährstoffe in ausreichender Menge liefern. Es ist daher ratsam, Energy Gels als Ergänzung im Sport zu einer vollwertigen Ernährung im Alltag zu betrachten und sicherzustellen, dass die Gesamtzufuhr aller essenziellen Nährstoffe abgedeckt ist. Energy Gels fürs Training und Rennen, Datteln für den Alltag, so geht's richtig.
Diesen Artikel, in dem wir die häufigsten Fehlerquellen rund um die Aufnahme von Energy Gels auf den Punkt bringen und gleichzeitig wertvolle Tipps geben, wie man für ausreichende Energie auf dem Weg zur nächsten bestmöglichen Zeit beim Marathon oder Halbmarathon sorgt, habe ich im intensiven Austausch mit Squeezy-Chef Roger Milenk erstellt. Vielen Dank Roger, für deine große Expertise aus über 30 Jahren Erfahrung mit Energy-Gels.
Andreas Butz