Wann ist ein langer Lauf ein langer Lauf?
Wenn alle Laufexperten abstimmen müssten, welche die wichtigste Schlüsseleinheit im Lauftraining ist, das Intervalltraining, der Tempodauerlauf oder der lange Lauf, die Abstimmung würde sicher einstimmig ausfallen: der lange Lauf. Doch ab wann ist ein Lauf lang und wann ist er „richtig“ lang?
In meinem Artikel über Zone-2-Training habe ich bereits verdeutlicht, dass zwei Läufer unterschiedlich trainieren können, obwohl beide in "Zone 2" trainieren. Dies hängt davon ab, welches Zonen-Modell sie verwenden. Wer sagt, er trainiere im LDL-Bereich, ist klarer: Der LDL liegt immer zwischen 71 und 75 % der Hfmax. Genauso kann es unterschiedliche Auffassungen geben, was einen langen Lauf ausmacht. Läufer, die sich auf einen 10-Kilometerlauf vorbereiten, betrachten vielleicht 15 Kilometer als lang. Im Gegensatz dazu sehen Ultraläufer, die sich auf den legendären Rennsteiglauf in Thüringen vorbereiten, der etwa 73 Kilometer lang ist, einen langen Lauf als eine Strecke von 30 Kilometern oder mehr an.
Nachdem wir in der Laufcampus-Methode klar herausgearbeitet haben, dass lange Läufe einen entscheidenden Effekt auf die Formentwicklung haben – die wichtigsten habe ich unten nochmal zusammen gefasst – und daher zu den Schlüsseleinheiten der Laufcampus-Methode gehören, ist es wichtig, eine Orientierung zu geben, was wirklich lang genug ist. Lang genug im Sinne der individuellen sportlichen Ziele.
Neue Definitionen für lange Läufe
Die Laufcampus-Methode gilt in der Laufszene schon lange als moderne Trainingslehre. Doch auch wenn etwas modern ist, heißt das nicht, dass es nicht weiterentwickelt oder – im Sinne dieses Artikels – präzisiert werden kann. Daher führen wir im Juli 2024 drei neue Akronyme ein, die den Sprachgebrauch unter Läufern und Trainern verdeutlichen können und die Umsetzung der Laufcampus-Methode verbessern werden. Aus dem bisherigen LALA werden ab sofort MLALA, RLALA und ULALA. Was diese Begriffe bedeuten und warum diese sinnvoll sind, erklären wir im Folgenden:
Begriffe und Akronyme für das Marathontraining:
- MLALA: Mittellange Läufe (16-25 Kilometer)
- RLALA: Richtige Lange Läufe (26-35 Kilometer)
- ULALA: Ultralange Läufe (36 Kilometer und länger)
Erläuterung:
Grundsätzlich gilt:
-
Was als "lang" betrachtet wird, hängt selbstverständlich von der bisherigen Lauferfahrung ab. Dazu haben wir in der Laufcampus-Methode schon vor vielen Jahren folgende logische Schwellen definiert und allgemein als LALA bezeichnet, je nach Erfahrung und sportlichen Zielen:
- 40 Minuten: Vierzig Minuten durchlaufen ist die Dauer, ab der man in der Laufszene als "Läufer" anerkannt wird. Dies ist eine für jeden mit zunehmender Lauferfahrung Trainingsfleiß machbare Zeit und dazu sehr charmant. Läufer werden hier nur an der Kondition gemessen und nicht an der erreichten Laufgeschwindigkeit, im Läufer-Jargon Pace genannt.
- 60 Minuten: Eine Stunde durchhalten oder auch 10 Kilometer schaffen, das sind logische Schallmauern, die keiner weiteren Erklärung bedürfen.
- 90 Minuten: Dauerläufe über 90 Minuten und länger sind entscheidend für den sportlichen Erfolg bei 10-Kilometer-Rennen. Der Effekt auf den Energiestoffwechsel im Allgemeinen und die Fettverbrennung im Besonderen ist ab 90 Minuten signifikant größer als bei kürzeren Läufen. Daher gilt: je mehr Dauerläufe über 90 Minuten und länger, desto besser für die Leistung!
- 120 Minuten: In der Halbmarathonvorbereitung sind 90 Minuten für Breitensportler ungenügend. Daher hat Laufcampus die 120-Minuten-Grenze als Mindestdauer definiert, damit ein Dauerlauf in Halbmarathon-Trainingsplänen als Schlüsseleinheit gezählt werden kann.
- 150 Minuten: Für Marathonläufer gilt die Zwei-einhalb-Stunden-Grenze als Marke. Ab 150 Minuten Dauer beginnen die langen Läufe als lange Läufe im Sinne der Verbesserung der Fähigkeit, beim Marathon gut oder besser zu werden.
- Die DAUER der Dauerläufe ist für den Energiestoffwechsel wichtiger als die zurückgelegte DISTANZ.
-
Wenn wir lange Läufe in Kilometern ausdrücken birgt dies eine besondere Herausforderung: Läufer, die in Kilometern denken, neigen dazu, bei wiederholten Trainings die gleiche Distanz schneller laufen zu wollen. Dadurch werden die Läufe nicht länger, sondern kürzer, was die Zeit für das Fettstoffwechseltraining reduziert und das Tempo möglicherweise so hoch werden lässt, dass die gewünschten Auswirkungen auf den Energiestoffwechsel geringer ausfallen.
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Indem Läufer sich auf die Dauer statt auf die Distanz konzentrieren, können sie sicherstellen, dass sie ausreichend lange im aeroben Bereich trainieren, was für die Optimierung des Fettstoffwechsels entscheidend ist. Bei zu schnellem Laufen, bedingt durch das Streben nach besseren Zeiten auf gleicher Distanz, steigt das Risiko, in höhere Intensitätszonen zu geraten, wodurch die Effektivität des Trainings für den Energiestoffwechsel gemindert wird.
-
Eine Orientierung an der Trainingsdauer hilft zudem, die Kontinuität und Qualität der langen Läufe zu wahren. Durch das Einhalten einer konstanten Dauer bleibt die Belastung über die gesamte Trainingsperiode hinweg konsistent und gewährleistet, dass der Körper die notwendigen Anpassungen vornehmen kann. In den Folgewochen misst man seinen Trainingsfortschritt an der zunehmenden Dauer, nicht zwingend an der zurückgelegten Distanz, und schon gar nicht am Tempo.
-
Aus diesen Gründen erwarten wir unseren Trainingsplänen für das Dauerlauftraining immer eine bestimmte Dauer, nicht eine Distanz.
Dennoch gilt auch:
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150 Minuten sind nicht für jedes Laufziel ausreichend. Für Marathonläufer ist es für eine gute Form zwingend erforderlich, einige Dauerläufe über 30 Kilometer zu absolvieren. Und das schaffen die wenigsten in zweieinhalb Stunden:
- Okay, ein Läufer, mit einem Potenzial von 2:30 Stunden beim Marathon, was einen MRT (Marathon-Renntempo) von 3:33 min/km entspricht und und einem LDL (Langsamer Dauerlauftempo) von 5:00 min/km, der erreicht im LDL-Training die 30 Kilometermarke bereits nach 150 Minuten.
- Hingegen eine Läufer mit einem Potenzial von 4:00 Stunden, was einen MRT von 5:41 min/km entspricht und einem LDL von 6:50 min/km, benötigt im LDL-Bereich für 30 Kilometer 3:25 Stunden (205 Minuten). Würde er nur 150 Minuten dauerlaufen, so käme er nur auf etwa 22 bis 23 Kilometern, was für eine Verbesserung der Marathon-Performance nur ein Zwischenziel sein kann.
RLALA – Richtig lang laufen
Wir haben uns entschieden, das Marathontraining als Maßstab dafür zu nehmen, was richtig lang ist, und der Grund dafür liegt in der Bedeutung. Man kann ein passabler 10-Kilometerläufer und sogar zufriedener Halbmarathonläufer sein, obwohl die langen Läufe nicht "richtig lang" sind. Mit Regelmäßigkeit im Training, Kraft, Jugend und Willen kann man ordentliche Ergebnisse erzielen, auch wenn das Training nicht optimal ist. Doch einen Marathonlauf kann man nur durchlaufen, wenn die langen Trainingsläufe richtig lang waren. Wer hingegen am Ende einbricht, weite Passagen ungeplante Gehpausen einlegen muss oder in der zweiten Hälfte des Marathons mehr als 15 Minuten langsamer ist als in der ersten, hat Trainingsfehler gemacht. In der Regel handelt es sich um zu wenige richtig lange Läufe, die wir künftig RLALA nennen wollen.
Korrektur der LALA in den Marathon-Trainingsplänen:
Daher haben wir in den letzten 12 Monaten alle Marathon-Trainingspläne in der Laufcampus Web-App überprüft (erreichbar gezielt über die Marathon Trainingspläne oder noch besser über die Potenzialanalyse) und die langen Läufe angepasst. Bei Marathonläufern mit einer erwarteten Zeit über 4 Stunden wurden die Läufe tendenziell verlängert, bei Läufern mit einer Zielzeit unter 3 Stunden teilweise sogar verkürzt.
Präziser Läufer-Jargon
Wir haben beobachtet, dass viele Läufer ihre Dauerläufe als Longrun oder LALA für langen Lauf markieren, obwohl sie "nur" 21 oder 24 Kilometer zurückgelegt haben. Im Sinne einer guten Marathonvorbereitung sind dies jedoch keine langen Läufe, sondern nur Zwischenziele, also mittellange Läufe. Diese mittellangen Läufe sind für die Halbmarathon-Vorbereitung hingegen völlig ausreichend.
Um die Qualität des Trainings und das Verständnis für den Trainingserfolg zu verbessern, nennen wir Dauerläufe unter 26 Kilometer künftig MLALA (Mittellange Läufe) und Läufe über 26 Kilometer RLALA (Richtig lange Läufe). RLALA klingt nicht nur gut, der Begriff "richtig" soll auch verdeutlichen, dass dieses Training richtig im Sinne der Vorbereitung auf einen Marathon ist.
Zusammenfassung der Präzisierungen:
- MLALA: Läufe von 16 Kilometer bis 25 Kilometer (ausreichend für starke Halbmarathon-Zeiten)
- RLALA: Läufe von 26 Kilometer bis 35 Kilometer (erforderlich für die Marathonvorbereitung)
- ULALA: Läufe ab 36 Kilometer (möglich für die Marathonvorbereitung, erforderlich für die Ultramarathon-Vorbereitung)
Diese neuen Begriffe und ihre klaren Definitionen sollen Athleten und Trainern dabei helfen dabei, die Trainingspläne noch gezielter auf die individuellen Bedürfnisse und Ziele abzustimmen.
Ein Blick ins Ausland: Auch im englischsprachigen Raum gibt es Akronyme, die versuchen, das Training treffend zu beschreiben. So gibt es nicht nur LSD für Long Slow Distance Run, sondern auch LR für Longrun und RLR für Reduced Longrun.
Warum RLALA zwischen 26 und 35 Kilometern entscheidend für den Marathonerfolg so sind
Richtig lange Dauerläufe (RLALA) zwischen 26 und 35 Kilometern sind entscheidend für den persönlichen sportlichen Erfolg über die Marathondistanz, und dies aus mehreren Gründen:
- Anpassungen des Energiestoffwechsels: Durch regelmäßige lange Läufe gewöhnt sich der Körper an die Belastung und verbessert seine Fähigkeit, Fett als Energiequelle effizient zu nutzen. Dies ist entscheidend für die Marathonleistung, da Fett eine wichtige Energiequelle während langer Ausdauerbelastungen ist.
- Muskuläre Anpassungen: Die Muskulatur wird durch regelmäßige lange Läufe gestärkt und angepasst, was die muskuläre Ausdauer verbessert. Dies hilft dabei, Muskelermüdung während des Marathons zu verzögern und die Gesamtleistungsfähigkeit zu steigern.
- Allgemeine Gewöhnung: Marathonläufe setzen den Körper einer langanhaltenden Belastung aus. Durch regelmäßige lange Läufe gewöhnt sich der Körper an diese spezifische Belastung, was zu einer besseren mentalen und physischen Vorbereitung führt.
- Psychologische Vorbereitung: Lange Läufe helfen nicht nur körperlich, sondern auch mental auf den Marathon vorzubereiten. Sie stärken die mentale Ausdauer und das Durchhaltevermögen, da sie oft beindruckend lang dauern und die zu erwartende Zielzeit einschüchternd sein kann, was Erfahrung im Durchhalten erfordert.
- Ernährungs- und Flüssigkeitsstrategien: Lange Läufe bieten die Möglichkeit, verschiedene Ernährungs- und Flüssigkeitsstrategien zu testen und zu optimieren. Dies ist für die Verpflegung während des Marathons entscheidend, um Energie und Hydratation aufrechtzuerhalten.
- Tempotraining und Renntaktik: In einigen der längeren Läufe können auch Endbeschleunigungen eingebaut werden, um das Renntempo bei zunehmender Ermüdung zu trainieren. Dies kann enorme Auswirkungen auf die mentale Stärke beim Marathonlauf haben.
Und für all diese gewünschten Effekte sind mittellange Läufe in der Marathonvorbereitung zu kurz. Es bedarf hier richtig langer Läufe, die für die Anpassung der Physis und Psyche ausreichend lang sind. Nur RLALA zwischen 26 und 35 Kilometern bereiten den Körper und das Selbstvertrauen bestmöglich auf die spezifischen Anforderungen eines Marathons vor. Sie fördern physiologische Anpassungen, verbessern die muskuläre Ausdauer, gewöhnen den Körper an die Belastung, stärken die mentale Ausdauer und ermöglichen die Optimierung von Ernährungs- und Renntaktikstrategien. All dies trägt dazu bei, dass ein Läufer auf die Marathondistanz besser vorbereitet ist und bestmögliche Voraussetzungen schafft, seine persönlichen Bestleistungen zu erreichen oder gar zu verbessern.
Zusammenfassung: Lange Läufe im Halb- und Marathontraining
Beim Training auf bestmögliche 10 Kilometer und Halbmarathonläufe sind MLALA völlig ausreichend, RLALA aber möglich. Im Marathontraining hingegen macht die Anzahl und Intensität der RLALA den Erfolg aus. Zusätzliche MLALA können den Erfolg weiter stärken.
Mehr und länger hilft mehr!
- Bei längeren Läufen, insbesondere im LDL oder MDL-Bereich, wird der Körper gezwungen, vermehrt auf Fett als Energiequelle zurückzugreifen. Dies verbessert die Fettverbrennung und die Ausdauerleistung.
- Längere Läufe helfen dem Körper auch, die Glykogenspeicher effizienter zu nutzen und gleichzeitig die Fähigkeit zu verbessern, diese Speicher nach dem Trainings wieder aufzufüllen. Durch eine niedrigere Glykogennutzung verringert sich auch die Laktatproduktion beim Laufen, was ermöglicht länger in höherem Tempo zu laufen.
- Außerdem fördern längere Trainingseinheiten die Bildung und Funktion von Mitochondrien, den "Kraftwerken" der Zellen, was die aerobe Kapazität und die Energieproduktion aus Fetten erhöht.
- RLALA fördern zudem die Anpassung der Muskelfasern, insbesondere der Typ-I-Fasern, die für langanhaltende, ausdauernde Aktivitäten entscheidend sind.
- Lang andauernde Läufe fordern aber nicht nur den Körper und helfen ihm beim Umbau, sondern auch den Geist. Die Fähigkeit, über längere Zeiträume hinweg konzentriert und motiviert zu bleiben, ist ein wichtiger Aspekt des Marathontrainings und anderer Langstreckenläufe. Sie trainieren damit Ihre mentale Ausdauer.
Lasst uns niemals aufhören zu versuchen besser zu werden. Dabei kann ein besseres Verständnis für den Trainingserfolg durch lange Läufe helfen.
Euer Andreas Butz
1 Kommentar
Martin Praus
Wie soll man sich bei einem RLALA ernähren? Sagen wir ich bin zwischen 3:30 und 4:30 Stunden unterwegs, sollte ich meinem Körper neben Flüssigkeit nicht auch Nahrung zuführen?
Und wenn ja welche und wann?
Danke, Martin
Wie soll man sich bei einem RLALA ernähren? Sagen wir ich bin zwischen 3:30 und 4:30 Stunden unterwegs, sollte ich meinem Körper neben Flüssigkeit nicht auch Nahrung zuführen?
Und wenn ja welche und wann?
Danke, Martin