Das Körpergefühl bewerten – Wie Sie mit RPE Ihr Training erfolgreich steuern können
Läuferinnen und Läufer wissen: Das eigene Körpergefühl ist ein wichtiger Indikator für effektives Training. Doch wie bewertet man es? Und warum ist es überhaupt wichtig? Schon seit Jahrzehnten gibt es Ansätze, die gefühlte Anstrengung zu messen. Die erste Skala zur Bewertung der wahrgenommenen Anstrengung (RPE, Rating of Perceived Exertion) wurde von Gunnar Borg, einem schwedischen Psychologen, entwickelt und in den 1960er-Jahren veröffentlicht. Seine erste Arbeit zur Borg-Skala stammt aus dem Jahr 1962. Diese ursprüngliche Skala umfasste einen Bereich von 6 bis 20, da sie speziell für die Herzfrequenzüberwachung konzipiert wurde: Die Zahlen der Skala korrespondieren ungefähr mit der Herzfrequenz (multipliziert mit 10), die bei einer bestimmten Anstrengung auftreten könnte. Wie Verywell Health in einem Artikel über die Borg-Skala beschreibt, wird die Skala häufig in der Rehabilitation und im Training verwendet, um körperliche Anstrengung zu quantifizieren, wenn technische Geräte wie Herzfrequenzmesser nicht verfügbar sind.
Doch während diese Ansätze Wissenschaftler, Forscher und auch Leistungsdiagnostiker begeistern, bleibt die Frage: Wie alltagstauglich sind diese für die Steuerung beim Lauftraining?
Warum Sie Ihr Körpergefühl bewerten sollten?
Das Ziel aller Skalen ist es, eine subjektive Einschätzung der Anstrengung zu ermöglichen. Besonders für Läufer ohne technische Hilfsmittel wie GPS- oder Pulsuhren bietet das eine einfache Orientierung. Doch hier liegt auch das Problem: Viele der etablierten Skalen sind zu komplex. Wer kann mitten im Training oder kurz danach – machen Sportuhren fragen im Anschluss danach – präzise sagen, ob die Anstrengung bei 10 oder eher 11 lag, oder bei 16 statt 15, gemäß der Borg-Skala von 6 bis 20? So feinfühlig sind wir Menschen schlicht nicht.
Die Laufcampus-Skala: Ein klarer Vorteil
Um die gute Idee der Selbsteinschätzung beim Training (RPE) zu übernehmen und damit verbunden eine kluge Steuerung des wöchentlichen Trainings zu erleichtern, haben wir auf Basis unserer Jahren langen Arbeit mit Sportlern eine 7-stellige Skala entwickelt:
- 0 (ruhig)
- 1 (sehr leicht)
- 2 (leicht)
- 3 (moderat)
- 4 (anstrengend)
- 5 (sehr anstrengend)
- 6 (all-in)
Diese Skala hat klare Vorteile: Sie ist intuitiv, auf das Wesentliche reduziert und unterscheidet sich dabei deutlich von anderen Modellen. Grundlage für unsere RPE-Skala sind die in der Laufszene etablierten 5 Trainingszonen für das herzfrequenzorientierte Training nach der Laufcampus-Methode.
Verbindung von Körpergefühl mit den Zonen der Laufcampus-Methode
Die folgende Tabelle zeigt, wie die Laufcampus-Skala in Verbindung mit dem 5-Zonen-Modell von Laufcampus genutzt werden kann. Sie liefert dabei Details zu den jeweiligen Belastungen und unterstreicht, wie intuitiv diese Methode anzuwenden ist. Eine Abgrenzung zwischen Zone 5 und 6 zeigt, wie sich die wahrgenommene Intensität im Training und Wettkampf unterscheidet – obwohl beide im gleichen Pulsbereich liegen. Denn Intervalle im Halbmarathonrenntempo, z. B. 5 x 2000 Meter, fühlen sich niemals nach 'all-in' und damit 6 an, über die kompletten 21,1 Kilometer gelaufen aber schon.
Zone | Trainingsbelastung nach Hfmax | Körpergefühl | Bewertung | Erläuterung |
---|---|---|---|---|
0 | 51 - 60 % – Ruhige Aktivität (RA) | ruhig | 0 | Spaziergänge oder gemütliches Radfahren |
1 | 61-70 % – Super-Sauerstofflauf (SSL) | sehr leicht | 1 | Sehr lockerer Lauf, gefühlt an der Grenze zur Unterforderung |
2 | 71-75 % – Langsamer Dauerlauf (LDL) | leicht | 2 | Leichtes Lauftraining, eine Unterhaltung ist noch locker möglich |
3 | 76-80 % – Mittlerer Dauerlauf (MDL) | moderat | 3 | Angenehme Belastung, leicht fordernd, aber nachhaltig durchführbar |
4 | 81-85 % – Zügiger Dauerlauf (ZDL) | anstrengend | 4 | Herausfordernd, kurze Gespräche sind gerade noch möglich |
5 | 86-100 % – Fahrtspiel (FSP) | sehr anstrengend | 5 | Anstrengung beim Intervalltraining oder Fahrtspiel im Renntempo |
6 | 86-100 % – Wettkampf | all-in | 6 | Dauerhafte Belastung im maximal möglichen Renntempo |
Wie die Laufcampus-Methode das Körpergefühl integriert
Die Laufcampus-Methode bietet nicht nur Pulsbereiche und diese Skala, sondern auch präzise Trainingsanweisungen, die auf dieser Skala aufbauen. Die Basis- und Aufbautipps, die helfen können auch ohne Trainingsplan erfolgreich zu trainieren. Diese enge Verbindung zwischen den bewerteten Zonen und den typischen Laufcampus-Trainingsbereichen sorgt dafür, dass Sie Ihr Training gezielt und einfach steuern können. Das macht sie besonders geeignet sowohl für Fitnesssportler wie auch für ambitionierte Läufer. Hier ein Überblick über die wichtigsten Tipps:
Drei BASISTIPPS für alle Läufer:
- Laufen Sie dreimal wöchentlich: Wer mindestens dreimal pro Woche läuft, legt die notwendige Grundlage für Fitness und Gesundheit. Viele Hobbyläufer laufen nur 1 bis 2 Mal pro Woche. Das kann beim Wiedereinstieg nach Jahre langer Abstinenz reichen, um erste kleine Fortschritte zu erzielen. Wer jedoch nachhaltig als Läufer besser werden möchte, braucht mindestens drei Laufeinheiten pro Woche.
- Laufen Sie mindestens 40 Minuten: Laufen, oder – für Anfänger und Wiedereinsteiger – eine Kombination aus Laufen und Gehpausen, sollte mindestens 40 Minuten dauern, um messbare Effekte zu erzielen. 30 Minuten sind für Anpassungseffekte in der Regel zu wenig. Daher sind 40 Minuten als Untergrenze nötig.
- Trainieren Sie abwechslungsreich: Planen Sie Einheiten in den Zonen 2, 3 und 4, um im Wochenverlauf unterschiedliche Reize zu setzen und sowohl Unter- wie auch Überforderung zu vermeiden. Zu wenig Reize sind der Hauptgrund für Stagnation unter Hobbyläufer. Die meisten laufen stets in ihrem 'Wohlfühltempo', kluge Läufer verlassen die Wohlfühlzone mal nach unten und mal nach oben und werden so besser.
Drei AUFBAUTIPPS für ambitionierte Läufer:
- Eine Extra-Einheit für mehr Leistung: Athleten, denen der Formaufbau wichtig ist, laufen viermal wöchentlich und gestalten die Einheiten ebenfalls mindestens 40 Minuten – oder länger. Vier Laufeinheiten pro Woche erlauben drei Tage wöchentlich, an denen auf Training verzichtet werden kann, und das hilft der Regeneration beim Besserwerden. Vier Laufeinheiten wöchentlich reichen für geschätzt 80 % aller sportlichen Ziele von Hobbyläufern. Klar ist auch: Wer die 3-Stundengrenzen beim Marathonlaufen knacken muss, sollte 5 bis 6 Mal wöchentlich trainieren (schaffen unter 5 % aller Marathonläufer) und wer sich zur Spitze durchtrainieren möchte, läuft im Mittel gesehen 12 Mal pro Woche und je nach Geschlecht und Trainingsphase 160 bis 240 Kilometer wöchentlich. Für die meisten aber reicht: 4 Einheiten pro Woche sind top!
- Laufen Sie einmal pro Woche so lang und so niedrigpulsig wie möglich: Planen Sie wöchentlich einen Longrun (LALA) in den Zonen 3, 2 oder 1, je nach Erfahrungslevel. Einsteiger laufen z. B. 60 Minuten in Zone 3, erfahrene Läufer hingegen 150 Minuten oder länger in Zone 2. Sie verstehen was ich meine? "So lang und so niedrigpulsig wie aktuell möglich".
- Machen Sie wöchentlich ein Tempotraining: Absolvieren Sie ein wöchentliches Tempotraining in Zone 5, z. B. als intuitives Fahrtspiel oder als wettkampforientiertes Intervalltraining. Fahrtspiele reichen in vielen Situation aus. Wer jedoch wettkampforientiert seine persönliche Bestleistung verschieben möchte, trainiert mit einem Laufcampus Trainingsplan und sekundengenauen Intervalltraining noch fokussierter.
Sieben Werte für eine clevere Trainingssteuerung nach Körpergefühl (RPE)
Die Laufcampus-Skala zeigt, dass einfache und intuitive Ansätze oft die besten sind. Mit sieben klar definierten Werten und einer direkten Verbindung zu den Laufcampus-Trainingszonen ermöglicht sie eine präzise und dennoch unkomplizierte Steuerung des Trainings. Ob Fitnesssportler oder ambitionierte Läufer – die Kombination aus Körpergefühl und klaren Trainingsvorgaben macht die Laufcampus-Methode zu einer verlässlichen Wahl für alle, die gezielt und nachhaltig ihre Laufleistung verbessern möchten. Früher oder später können Pulswerte, auf Basis eines Kardio-Laktat-Tests ermittelt, helfen, Ihr Körpergefühl für die Anstrengung, Ihr persönliches Rating of Perceived Exertion (RPE) zu verfeinern.
Weiterhin viel Freude und Erfolg beim Laufen wünscht Andreas Butz!