Marathon mit Gehpausen
Geplante Gehpausen von Anfang an
1,5 Kilometer Laufen, dann 30 Sekunden Gehpausen, dies habe ich einen Marathon weit wiederholt. So sah meine Interpretation der Run Walk Run™-Methode von Jeff Galloway aus. Meinen 189. Marathon in Riga, Lettland nutzte ich für dieses Experiment. Zum ersten Mal, aber sicher nicht zum letzten Mal. Denn da geht noch mehr.
Ein Marathon in Intervallen laufen
Warum macht man so etwas, das werden Sie sich vielleicht fragen? Mit Recht. Es ist in meinem Umfeld absolut unüblich, bei einem Rennen von Anfang an Gehpausen einzulegen, in meinem persönlichen Fall das erste Mal bereits nach 1,5 Kilometern, also ungefähr nach sieben Rennminuten bereits. Doch ich wollte diese Rennstrategie unbedingt einmal ausprobieren.
Der amerikanische Olympiateilnehmer von München 1972 Jeff Galloway ist Autor vieler international verlegter Laufbücher und wurde vor allem mit der von ihm sogar als Marke eingetragenen Run Walk Run™-Methode weltweit bekannt. Nach jeder Meile, das sind rund 1.609 Meter, empfiehlt er jeweils Gehpausen einzulegen, um dem Körper Zeit für Erholung zu geben. Seine Idee ist, dass man durch Gehpausen bessere Zeiten beim Marathon erreichen kann, als wenn man durchläuft. Auch Marathonläufe unter 3 Stunden wurden nach seinen Berichten so schon gelaufen. Das machte mich neugierig.
Seit 2001 bin ich als Lauftrainer aktiv. Auch ich habe einige Laufbücher geschrieben, schreibe für Fachmagazine und veröffentliche natürlich im Laufcampus Blog. Für meine Kunden bin ich ein guter Trainer, weil meine Empfehlungen ein großes Fundament zahlreicher eigener Erfahrungen haben. Jeden mir bekannten Fehler habe ich mindestens einmal selbst gemacht. Glücklicherweise das meiste aber richtig. Ich bin Marathonsammler und dennoch ambitioniert. Je älter ich werde, umso besser werde ich. Ich kämpfe, gewinne und leide bei meinen Rennen genauso wie meine Coaches und Lauffreunde. All das macht mich glaubhaft. Doch eine Empfehlung habe ich mehrfach gegeben, ohne eigene Erfahrungen gemacht zu haben. Genau, die Run Walk Run™-Methode von Jeff Galloway zu praktizieren. Das sollte sich im Mai 2023 ändern.
Gehpausen beim Marathon – Erfahrungen meiner Kunden
Empfohlen habe ich dies zum Beispiel für Marathonläufe, wenn der eigentlich als Saisonhöhepunkt gedachte Marathon bereits wenige Wochen nach einem anderen Marathon folgte. Für den ersten Marathon empfahl ich die Galloway-Methode, um die muskuläre Belastung gering zu halten. Ein Marathon im Dauerlauftempo, zudem immer wieder unterbrochen durch geplante Gehpausen, das schadet nicht, erhöht durch den langen Lauf eher den Trainingserfolg. Oder ich habe die Galloway-Methode empfohlen, wenn die Vorbereitung zu kurz, die langen Läufe in ihrer Anzahl nicht ausreichend oder in ihrer Dauer nicht lang genug waren. Run-Walk-Run als Notfallplan, auch das funktioniert bisher immer sehr gut. Dazu habe ich einen Rennzeiten Kalkulator entwickelt, mit dem ich auf Basis einer für meine Kunden realistischen Zielzeit die richtigen Pausendauern und Intervallzeiten ausrechnen kann. Je ambitionierte der Athlet oder die Athletin, umso kürzer die Pausen und schneller die Intervalle.
Wie Gehpausen zu mehr Leistung verhelfen
Das deutlichste Beispiel, wie wertvoll Pausen sein können, erleben Freunde Laufcampus HIT-Trainingspläne bei ihrem Intervalltraining. Die 200 Meter langen HIT-Intervalle werden stets im 1-Kilometerrenntempo (1RT) gelaufen, also dem Tempo, das man bei einem Rennen über 1.000 Meter maximal laufen kann.
Warum auch Sie mal ein 1000-Meterrennen als LC1000 machen sollten
Durch die Gehpausen zwischen den Tempoläufen, können die 200 Meter deutlich häufiger gerannt werden als in Summe 1.000 Meter. Sogar 2.000 Meter (10 mal 200) oder 3.000 Meter (15 mal 200) können durch die Intervallpausen schaffen. 4.000 Meter, also 20 mal 200 Meter, habe ich schon selbst abgeliefert. Das heißt, ich bin 4.000 Meter lang ein Tempo gelaufen, das ich ohne Pausen nur 1.000 Meter lang halten kann. Diese Erlebnisse beim Lauftraining sind eindrucksvolle Belege dafür, wie kraftspendend und regenerativ Geh- oder Trabpausen sein können. Im Fall der 200 Meter Intervalle sieht die Laufcampus-Methode Gehpausen von 40 bis 60 Sekunden vor, je nach Leistungsstand der Athleten.
Aber auch Intervalle im 3-Kilometerrenntempo (3RT) und 5-Kilometerrenntempo (5RT) können Sie häufiger laufen, als die Distanz beim Rennen. Siehe dazu auch meinen Beitrag über Intervalltraining nach der Laufcampus-Methode.
Dieser Erfahrungsschatz als Läufer und Trainer ließ mich bei meinem ersten Selbstversuch zuversichtlich auf die Run Walk Run™-Methode von Jeff Galloway blicken. Doch Galloway nennt noch weitere Vorteile.
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Vorteile von geplanten Gehpausen nach Jeff Galloway
Grundsätzlich ist es besser geplante kurze Gehpausen bereits zum Beginn des Rennens einzulegen, dann wenn man sich noch stark fühlt, als ungeplante lange Gehpausen aus Erschöpfung zum Ende hin. Im Wechsel der Bewegungsformen Laufen und Gehen formuliert Galloway in seinem internationalen Bestseller Marathon – You can do it (Link zu amazon.de) aber noch weitere Vorteile.
- Erhöhung der Spannkraft der Muskulatur durch Bewegungswechsel
- Immer wieder Erholung der jeweils beim Gehen und Laufen angesprochenen Muskelgruppen
- Schonung der Energieressourcen
- Chance in Ruhe zu trinken. In den USA werden Verpflegungsstationen oft nach jeder Meile aufgebaut
- Vorbeugung von Verletzungen durch Vermeidung von Überbelastung durch reines Laufen (siehe auch Mit Muskelkater joggen?)
- Motivation durch Aufteilung der Wettkampfstrecke in viele kleine Abschnitte
- Motivation durch „Fangspiele“. In Gehpausen werden Läufer überholt, bis zur nächsten kann man wieder auflaufen
- Verbesserung der Wettkampfzeit (Rechne deine Wettkampfzeit mit der Potenzialanalyse aus). Galloway hat bei seinen Schützlingen Verbesserungen der Wettkampfzeiten festgestellt, weil diese zum Ende hin nicht eingebrochen, sondern eher schneller geworden sind.
Und in der Tat, einige meiner Kunden, denen ich diese Taktik empfohlen habe, haben sie mit Erfolg umgesetzt. Nur ich noch nicht, das sollte sich in Riga ändern.
Warum den Riga Marathon als Intervalllauf?
Ursprünglich wollte ich in Riga in bestmöglicher Form starten. Doch das Jahr 2023 meinte es anders mit mir. Ich konnte mein Training nicht wie geplant umsetzen. In den Monaten Januar bis einschließlich April hatte ich im Schnitt wöchentlich etwa 25 Kilometer weniger in meinen Büchern als für eine persönliche Bestleistung nötig. Und auch die langen Läufe waren in dieser Zeit nur zweimal deutlich länger als 30 Kilometer und damit für mich lang genug, dazu zählt der La Valletta Marathon in Malte, den ich im Februar in 3:29 Stunden lief.
Wissend, dass ein schnelles Rennen nicht möglich sei, entschied ich mich schon im Vorhinein mit großer Vorfreude für das Experiment meine Adaption der Run Walk Run™-Methode umzusetzen. 1.500 Meter rennen, 30 Sekunden gehen.
Run-Walk-Run als Phasen-Modell in Polar
Über das Programm Polar Flow habe ich mir ein „Training“ als Favorit angelegt und via Synchronisation auf meine Polar Vantage V2 (Link geht zu Polar) geladen. Alle 1.500 Meter hat die Polar vibriert, und dann wieder nach 30 Sekunden. Siehe Bild unten.
- Für die Phase der 1.500 Meter habe ich mir zur Intervallsteuerung einen großzügigen Tempobereich angelegt, in meinem Fall zwischen 4:05 min/km und 4:45 min/km.
- Sportuhren geben Signale, wenn man seine aktivierten Trainingsbereiche verlässt, gerade im Fall von Geschwindigkeiten kann dies lästig sein, weil GPS-Daten auf langen Distanzen zwar meist sehr präzise sind, aber auf kurzen Abschnitten extreme Ausschläge haben können. Daher habe ich eine 40 Sekunden Differenz eingestellt. Im Mittel gelaufen ergibt dies eine Pace von 4:25 min/km, was für mich machbar erschien.
- Für den Gehpausenabschnitt von 30 Sekunden habe ich keine HF- oder Pace-Vorgaben gemacht. Ich habe mir lediglich vorgenommen die Gehpausen langsam, also regenerativ zu gestalten, um dem Herzkreislaufsystem eine kurze, erholsame Zeit zu gönnen.
Meine Umsetzung im Rennen
Ich lief den Riga Marathon 2023 in 3:23:24 Stunden und erreichte damit in meiner Altersklasse M55 (ich bin Jahrgang 1965) einen guten 2. Platz. Meine erste Gehpause legte ich nach 1,5 Kilometern ein, meine letzte nach 39 Kilometern. 26 Gehpausen á 30 Sekunden bedeuten 13 Minuten, in denen ich gewollt nicht gelaufen bin. Auf den letzten drei Kilometern verzichtet ich auf eine weitere Gehpause. Dennoch bin ich unzufrieden.
Das gewünschte Erlebnis, eine gute Zeit zu laufen, ohne am Ende deutlich an Tempo zu verlieren, habe ich nicht erreicht. Ab Kilometer 25 wurde ich immer langsamer. Der Grund waren muskuläre Probleme, die ich etwa ab der Hälfte des Marathons erstmals registrierte und immer stärker wurden. Ich habe bei der Umsetzung mindestens zwei Fehler gemacht.
- Ich bin zu ambitioniert gelaufen. Ich haben den Erholungseffekt der Gehpausen überschätzt. In meinem Hinterkopf war eine Zeit von 3:09 bis 3:14 Stunden, eine Zeit, die ich ursprünglich in Bestform ohne Gehpausen laufen wollte, so wie zuletzt beim Lissabon Marathon im Herbst 2022. Ich hatte die Hoffnung, durch die Intervall-Methode fehlendes Training ausgleichen zu können.
- Zudem bin ich nur nach Körpergefühl gelaufen. Nach Kilometer 30 habe ich erstmals meine Pace kontrolliert. Warum? Ich merkte, wie ich immer langsamer wurde, wie mach auch an den Splitzeiten (siehe Bild unten) sehen kann. Grundsätzlich habe ich ein gutes Gefühl für meine Tagesform und Leistungsfähigkeit im Training und Rennen. Doch für die Run-Walk-Run-Methode hatte ich es nicht. Dieses Körpergefühl muss ich erst lernen, den Anfang habe ich nun gemacht.
Ich habe durch meinen Selbstversuch gelernt, dass man fehlendes Training durch Gehpausen nicht ausgleichen kann, wenn man ambitioniert rennen möchte. Dies, zumal die verbleibenden 41 Kilometer, zum Ausgleich der Gehpausen, schneller gelaufen werden müssen. Die Ermüdung der Beine, die im letzten Viertelmarathon zu starken Muskelschmerzen anwuchs, hätte ich durch ein geringeres Tempo zu Beginn und vor allem durch mehr Training sicher vermeiden können. Von einer Erholung der Muskulatur, durch Wechsel in den Bewegungsmustern, wie oben als möglichen Vorteil erwähnt, habe ich bei meinem ersten Versuch jedenfalls nichts gespürt, eher das Gegenteil.
Wie Sie Topform erreichen, erfahren Sie bei unseren Laufseminaren und Marathonseminaren
Heute weiß ich, dass ich den Wechsel zwischen Gehen und Laufen künftig mindestens zehn Wochen lang zweimal wöchentlich trainieren werde, wenn feststeht, dass ich diese Strategie erneut anwenden möchte. Und das werde ich auf jeden Fall, denn ich glaube, dass es auch für mich möglich ist mit dieser Renntaktik schnell zu laufen.
Auch Galloway empfiehlt in seinem Buch die Umsetzung von Laufen mit Gehpausen auch im Training. Und er empfiehlt in seinen Trainingsplänen viele lange Läufe, im Trainingsplan für eine Zielzeit von unter 3:15 Stunden, zweimal sogar über 40 Kilometer und länger. Was die langen Läufe angeht, sind wir auf jeden Fall auf einer Wellenlinie. Das mit dem schnell Laufen – trotz oder wegen der Gehpausen –, das muss ich zunächst noch selbst erleben.
I‘ll do my very best, Jeff
3 Kommentare
Ronald Wolf
Guter Beitrag und man merkt die Erfahrung von vielen Läufen und etlichen Läuferjahren. Mir haben die Erfahrungen und Überlegungen etwas gebracht, denn ich trainiere zur Zeit manchmal diese Methode. Es funktioniert ganz gut, allerdings sind mir die Zeiten egal.
Guter Beitrag und man merkt die Erfahrung von vielen Läufen und etlichen Läuferjahren. Mir haben die Erfahrungen und Überlegungen etwas gebracht, denn ich trainiere zur Zeit manchmal diese Methode. Es funktioniert ganz gut, allerdings sind mir die Zeiten egal.
Uta Mitulla
Dieser Bericht kommt für mich genau zur richtigen Zeit und und bestärkt mich in meinem Vorhaben. bin eine eher langsame Läuferin, 64 Jahre alt und hoffe, nächstes Jahr in Berlin meinen ersten Marathon laufen zu können. Bisher habe ich „nur“ einige Halbmarathonläufe „auf meinem Konto“. Durch Zufall bin ich auf die Galloway-Methode aufmerksam geworden und möchte sie für den genannten Marathon gern anwenden. Danke für diese Motivation.
Dieser Bericht kommt für mich genau zur richtigen Zeit und und bestärkt mich in meinem Vorhaben. bin eine eher langsame Läuferin, 64 Jahre alt und hoffe, nächstes Jahr in Berlin meinen ersten Marathon laufen zu können. Bisher habe ich „nur“ einige Halbmarathonläufe „auf meinem Konto“. Durch Zufall bin ich auf die Galloway-Methode aufmerksam geworden und möchte sie für den genannten Marathon gern anwenden. Danke für diese Motivation.
Corina
Guter Bericht! Diese Methode ist mir bis dato noch unbekannt gewesen – vielleicht weil mein erster Marathon noch aussteht. Auf jeden Fall ein Ansatz, der durchaus charmant klingt, wenn man das “Brett” 42+ Kilometer umsetzen möchte. Herzlichen Glückwunsch für Silber in der AK 👏
Guter Bericht! Diese Methode ist mir bis dato noch unbekannt gewesen – vielleicht weil mein erster Marathon noch aussteht. Auf jeden Fall ein Ansatz, der durchaus charmant klingt, wenn man das “Brett” 42+ Kilometer umsetzen möchte. Herzlichen Glückwunsch für Silber in der AK 👏