Die Atmung beim Joggen verstehen und besser laufen
"Lass der Atmung einfach freien Lauf. Versuche sie nicht zu regulieren. Der Körper weiß am besten, wie viel Sauerstoff er benötigt", so antworte ich üblicherweise auf häufig gestellte Fragen nach der richtigen Atmung beim Joggen. In diesem Artikel möchte ich dem Thema etwas tiefer auf den Grund gehen und erläutern, warum der Körper immer klüger ist als Experten, die einen bestimmten Atemrhythmus beim Laufen empfehlen.
Autonomes und Willkürliches Nervensystem
Die Atmung wird hauptsächlich vom autonomen Nervensystem (ANS) gesteuert, das auch als vegetatives oder unwillkürliches Nervensystem bekannt ist. Diese Steuerung erfolgt unbewusst und regelt lebenswichtige Organfunktionen wie Herzschlag, Verdauung und eben auch die Atmung.
Das autonome Nervensystem teilt sich in den Sympathikus und den Parasympathikus auf. Während der Sympathikus in Stress- oder Aktivitätssituationen die Herzfrequenz und Atmung erhöht, sorgt der Parasympathikus in Ruhephasen für Entspannung und Regeneration. In diesen Phasen ist der Ruhepuls niedrig und die Herzratenvariabilität (HRV) hoch. Im Gegensatz dazu steht das willkürliche oder somatische Nervensystem, das bewusste und kontrollierte Bewegungen sowie sensorische Wahrnehmungen steuert. Bewusst gesteuert heben wir die Arme, blicken nach rechts oder links und setzen beim Laufen ein Bein vor das andere. Doch die Atmung wird bei all dem autonom reguliert, und das ist gut so. Dazu nun mehr.
Unwillkürliche Atmung beim Laufen
Beim Laufen übernimmt der Sympathikus die Führungsrolle, um den Körper optimal auf die körperliche Belastung vorzubereiten. Die Atmung wird automatisch angepasst, um den gesteigerten Sauerstoffbedarf der Muskeln zu decken und Kohlendioxid effizient abzuführen. Diese natürliche Anpassung sollte nicht bewusst gestört werden, da ein Eingreifen in die Atmung kontraproduktiv sein kann. Versucht man, die Atmung bewusst zu kontrollieren, kann dies zu einer ineffizienten Sauerstoffversorgung führen, was den Körper dazu zwingt, die Herzfrequenz zu erhöhen, um den Mangel zu kompensieren. Das Ergebnis kann eine verringerte Leistungsfähigkeit und frühzeitige Ermüdung sein. Bei Laufbandstufentests anlässlich einer Leistungsdiagnostik beobachte ich dies gelegentlich, wie Athleten versuchen die Atmung zu regulieren, bis das Tempo so schnell ist, dass sie nicht mehr eingreifen können und der Atmung freien Lauf lassen müssen. Besser ist, man greift von Anfang an nicht ein und überlässt es der Intelligenz des unwillkürlichen Nervensystems.
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Bewusste Atmung in anderen Situationen
Es gibt jedoch Situationen, in denen eine bewusste Atemkontrolle vorteilhaft ist. Beim Yoga, in der Meditation oder vor Vorträgen kann eine kontrollierte Atmung helfen, den Geist zu beruhigen und den Körper zu entspannen. Hier greift man bewusst in die Atmung ein, um spezifische physiologische und psychologische Vorteile zu erzielen. In diesen Situationen haben unsere Organe keinen erhöhten Energie- und Sauerstoffbedarf, sie müssen keine große körperliche Leistung erbringen, daher kann die Beruhigung durch bewusstes langes Ausatmen funktionieren.
Bei RSA-Tests (RSA = Respiratorische Sinusarrhythmie) wird sechsmal pro Minute langsam ein- und wieder ausgeatmet, weil sechs Atemzüge pro Minute die größte Auswirkung auf auf die Herzfrequenz haben sollen. Dieser Test, zum Beispiel mit einer App oder Sportuhr geführte Atmung, wird eingesetzt, um zu sehen, wie gut wir den Körper beruhigen können, wie gut unsere Entspannungsfähigkeit ist. Ist diese nicht mehr gegeben, kann dies auf eine Krankheit oder auch nur stressige Phase in unserem Leben hinweisen, ein Signal Veränderungen einzuleiten. Mehr dazu in der HRV Coaching Ausbildung.
Unwillkürlich, aber dennoch bewusst Atmen
Auch beim Laufen kann man auf die Atmung achten, ohne sie aktiv zu kontrollieren. Es geht darum, ein Bewusstsein für die Atmung zu entwickeln und sicherzustellen, dass man tief und gleichmäßig atmet. Dies hilft, den Körper mit ausreichend Sauerstoff zu versorgen, ohne die natürlichen Atemmuster zu stören. Eine tiefe Atmung aktiviert den Parasympathikus und kann dazu beitragen, die Atmung zu optimieren und die Leistungsfähigkeit zu steigern. Hier sind dazu zwei Tipps:
- Nasenatmung: Nasenatmung filtert Staub, Pollen und andere Partikel aus der Luft, was die Lungen vor Reizstoffen schützt. Gleichzeitig wird die eingeatmete Luft befeuchtet und erwärmt, was besonders bei kaltem Wetter die Atemwege schont. Darüber hinaus sollen die Nasenhöhlen Stickstoffmonoxid produzieren, das antibakterielle Eigenschaften hat und die Lungenfunktion verbessert.
- Bauchatmung: Bewusstes Einatmen in den Bauch nutzt das Zwerchfell und ermöglicht tiefere und effizientere Atemzüge, was die Sauerstoffversorgung der Muskeln verbessern kann. Eine Bauchatmung kann zudem dabei helfen, den Rumpf zu stabilisieren, was beim Laufen definitiv wichtig ist.
Was jedoch nicht zu empfehlen ist, ist an einem starren Atemrhythmus festzuhalten, wie beispielsweise zwei Schritte einatmen und drei Schritte ausatmen. Diese Entscheidung sollte dem Körper überlassen bleiben.
Abschließende Empfehlung zum Atmen beim Laufen
Die Atmung beim Laufen sollte so natürlich wie möglich ablaufen, um die bestmögliche Leistungsfähigkeit und Effizienz zu gewährleisten. In nicht-sportlichen Kontexten wie Yoga oder Meditation kann eine bewusste Atemkontrolle hingegen wertvolle Vorteile bieten. Indem man auf eine tiefe und gleichmäßige Atmung achtet, kann man sowohl beim Laufen als auch in Ruhephasen eine optimale Sauerstoffversorgung sicherstellen.
Dein Körper weiß intuitiv am besten, wie er sich selbst regulieren kann – vertrauen Sie ihm und lassen Sie Ihrer Atmung freien Lauf, insbesondere beim Laufen!
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen stets lockeres Laufen,
Ihr Andreas Butz
Foto oben Alfonso Cerezo von Pixabay